BDITELNJY - eine sowjetische Fregatte der KRIVAK-I-Klasse

BDITELNJY - a soviet frigate the KRIVAK-I-class

Flottenbesuche gehörten, wie bei allen Marinen der Welt, auch bei der Sowjet-Marine schon immer zur „diplomatischen Arbeit“. In der ex-DDR waren „Freundschaftsbesuche“ von Kampfschiffen des „großen Bruders“ immer ein besonderes Ereignis und – ich erinnere mich an meine eigene Dienstzeit bei der DDR-Volksmarine von 1965 bis 1968 – auch immer eine außergewöhnliche Aufregung. Unter der persönlichen Leitung des Befehlshabers der Baltischen Rotbanner-Flotte, Admiral W. W. Michajlin, besuchte vom 5. bis 9.10.1974 aus Anlaß des „Tages der Republik“ (DDR-Staatsfeiertag am 7.Oktober) ein sowjetischer Flottenverband den Stadthafen von Rostock-Warnemünde (1). Zum Verband gehörte der in die Jahre gekommene Leichte Kreuzer SVERDLOV von der SVERDLOV-Klasse mit der Bordkennung 884 (Schwesterschiff SCHDANOV ). Der Kreuzer hatte noch weitgehend sein schönes Ursprungsaussehen von 1953. Als moderne Schiffe kamen damals der neue Zerstörer OBRAZTSOVJY der KASHIN-Klasse (Foto 2 ) mit seinen ungewöhnlichen Gittermasten und den geteilten Kaminen und die Fregatte STOROZHEVOY von der KRIVAK-Klasse, damals als Wachschiff bezeichnet. Im östlichen Sprachgebrauch hat man sich stets gegen den Ausdruck Fregatte gewehrt. In der heutigen russischen Literatur findet man (ins Englische übertragen) für die KRIVAK-Klassen die Ausdrücke „Large Anti-Submarine Ship“, also großes U-Boot-Abwehrschiff oder auch „Guard Ship“, also Schutzschiff.

Ebenfalls mehrere Tage um den 7. Oktober 1979 erschien wieder ein Flottenverband in Warnemünde. Er bestand diesmal aus dem Kreuzer OKTYABRSKAYA REVOLUTSIYA (= Oktoberrevolution, SVERDLOV-Klasse) und zwei Fregatten der KRIVAK-Klasse: BDITELNJY (Bordkennung 700) und DRUZHNJY. Ich hatte damals Gelegenheit, die beiden Schiffe aus nächster Nähe und an Bord zu fotografieren. Heute kann man die 56 detailreichen schwarz-weißen Fotos als Fotoserie auf CD-ROM bei mir bestellen (Bestell-Nummer: cd027).

Die KRIVAK-Klasse

Das Projekt 1135 (Burevestnik = Sturmschwalbe) wurde vom Chefkonstrukteur N. P. Sobolev ab etwa 1964 als große U-Jagd-Schiffe (Bolschoj Protivolodotschnije Korabli) entwickelt. Wegen der relativ geringen Größe konnten die 40 Schiffe auf kleinen Werften am Schwarzen Meer und in der Ostsee zwischen 1970 und 1993 gebaut werden (in Kertsch 15 Boote, in Leningrad sechs Boote und in Kaliningrad 19 Boote). Sie waren als Begleit- und Schutzschiffe für die neuen Flugzeug- und Hubschrauberträger (große U-Jagd-Kreuzer) der Sowjet-Marine konzipiert und Trägerplattformen für die Anti-U-Boot-Lenkraketen (Raketen-Torpedos) SS-N-14 Silex . Silex erhielten auch die Kreuzer der KRESTA II- und KARA-Klassen und später die UDALOY-Zerstörer (je zwei Vierfach-Startanlagen ). Auch der Schlachtkreuzer ADMIRAL USCHAKOW hatte einen Silex-Doppelstarter mit zehn Waffen als Vorrat. Bei der KRIVAK-Klasse war eine nach den Seiten drehbare Vierfach-Startanlage (Startcontainer nebeneinander! ) hinter einem übergroßen Wellenbrecher auf dem Vorschiff installiert.

Die Rümpfe haben eine lange Back und einen Außenhaut-Knick an den Bordseiten . Dieser Knick verliert sich nach vorn im Bereich der Spanten 15 und 16. Insgesamt hat auch die KRIVAK-Klasse – wie bei sowjetischen Kampfschiffen üblich - relativ schrägstehende Bordwände. Nur die lange Back hat im Mittschiffsbereich senkrechte Bordwände. Der in Abb. 1 dargestellte Spantenriß stammt von einem Modellplan, den der Modellplanautor Bernd Loose noch zu DDR-Zeiten und ohne authentische Unterlagen nur gegißt (geschätzt) hat. Daß er mit seiner Schätzung der Wirklichkeit sehr nahe gekommen ist, zeigt ein Vergleich mit einem Spantenriß aus einer heutigen russischen Publikation (Abb. 2 )(2). Das Heck ist unter Wasser kantiger und der Bugwulst hat im Schnitt eine ovale Form. In Höhe Spant 10 sind in der Kimm höchstwahrscheinlich einziehbare Flossen-Stabilisatoren vorhanden, welche die Rollbewegungen des Schiffes dämpfen. Dahinter gibt es die üblichen Schlingerkiele. Auf dem Achterdeck sieht man ein recht langes Deckshaus, in welchem das tiefenvariable Schleppsonar (VDS-Anlage) eingebaut ist. Es wird durch eine Klappe an der Achterkante ausgesetzt (vgl. Abb. 3 ). Für das Bugsonar haben die Rümpfe einen mächtigen Bugwulst. Dieser ist allerdings im Querschnitt nicht kreisrund, wie in meinem Spantenriß vermutet, sondern er hat einen birnenförmigen Querschnitt (vgl. russischer Riß bei Abb. 2). Minengleise sieht man auf dem Achterdeck ebenso wie Minenräumgeräte.

Die Schiffe haben bei einer Länge von 123,10 m, einer Breite von 14,20 m und einem Tiefgang von 4,60 m (7,20 m mit Sonardom) eine Standard-/Einsatzverdrängung von 2.810/3.200 ts. Die Maße in Höhe der Wasserlinie betragen: 113,00 m Länge und 13,20 m Breite. Die Besatzung besteht aus etwa 197 Mann, davon 23 Offiziere und 27 Unteroffiziere. An Bord sind vier Gasturbinen eingebaut, die je nach Einsatz (ökonomische oder Hohe Fahrt) zugeschaltet werden (2 x 6.000 PS und 2 x 20.000 PS). Diese 52.000 PS geben den Booten eine Höchstgeschwindigkeit von 32 kn. Mit 20 kn Fahrt können 4.600 sm durchlaufen werden und bei 30 kn nur 1.600 sm. Der Propulsion dienen zwei vierflunkige Festpropeller. Die Seeausdauer beträgt 30 Tage.

Bewaffnung

Die Hauptbewaffnung der KRIVAK-I-Klasse war, wie erwähnt, der Vierfach-Startkomplex für U-Jagd-Raketentorpedos Silex (auch als Metel (Schneesturm) bekannt) auf dem Vorschiff. Die Entwicklung dafür begann bereits in den 1950er Jahren, eingeführt wurde das System allerdings erst 1968. Im Gegensatz z.B. zum US-amerikanischen ASROC-System oder auch beim französischen MALAFON, bei dem der Torpedo und die Startrakete „axial“ hintereinander sitzen, sind die beiden Hauptkomponenten bei Silex übereinander angeordnet. Ein Startbooster fördert die Lenkwaffe aus dem Startbehälter. Danach entfalten sich kleine Flügel und der Marsch-Raketenmotor (die 2. Stufe) bringt die Waffe in 400 bis 800 m Höhe ins Zielgebiet. Die Lenkung der Rakete erfolgt durch Lenkradar „Eye Bowl“ oder „Head Lights B“ (NATO-Code-Bezeichnungen). In der letzten Phase trennt sich die eigentliche Waffe (ein U-Jagd-Torpedo oder eine nukleare Wasserbombe) von der Rakete. Silex kann alternativ auch zur Bekämpfung von Überwasser-Schiffen verwendet werden. Dabei beträgt die Flughöhe allerdings nur 50 m und der letzte Zielanflug mit Infrarot-Suchkopf gar nur in 15 m Höhe. Der Torpedo trennt sich dabei nicht von der Rakete. Silex ist 7,19 m lang, hat einen Durchmesser von 573 mm, wiegt 4 Tonnen und die Spannweite der Flügel beträgt 1,35 m. Die Fluggeschwindigkeit beträgt 317 m/sec und ihre Reichweite 50 km.

Die beiden zweiarmigen Startanlagen (Typ Zif-122, Komplex "OSA-M" Osa = Wespe) für die Luftabwehrraketen 9M-33 (NATO-Bezeichnung: SA-8 Gecko) fahren nur beim Einsatz aus Behältern unter Deck aus. Einer befindet sich erhöht hinter den Vierfach-Starter und der zweite hinter dem Kamin. Insgesamt sind bis zu 80 Raketen an Bord. Entwickelt wurde das System Anfang der 1960er Jahre für ein Radfahrzeug, das Such- und Leitradar und die Startanlage tragen sollte. Es wurde mehrfach optimiert und dann (1972) auch navalisiert. Die Gecko-Rakete hat für den Marineeinsatz die Bezeichnung „9K33M OSA-M“, ist 3,158 m lang hat einen Durchmesser von 206 mm, die Spannweite beträgt 650 mm und das Gefechtsgewicht 128 kg. Der Gefechtskopf wiegt 12 bzw. 15 kg, die Reichweite der Rakete mit Feststoff-Triebwerk beträgt 2 - 9 km. Sie fliegt mit 500 m/sec.

Als die Boote noch relativ unbekannt waren, vermutete man nach Luftaufnahmen in den beiden Ringen an den Bordseiten in Höhe von etwa Spant 15,5 ein weiteres Waffensystem. Später hat sich herausgestellt, daß diese waagerechten Ringe nur die Sockel für die Silex-Nachlade-Vorrichtung sind. Vor der Brücke stehen zwei 12-fach-WABO-Werfer vom Typ RBU-6000 . Die Werfer-Rohre sind hufeisenförmig angeordnet. Für das Nachladen von Unterdeck her werden die Rohre senkrecht gestellt und dabei gedreht. Das gleiche Ladesystem sieht man auch beim Sechsfach-Werfer RBU-1000 . Hier haben die Rohre einen Durchmesser von 300 mm. Eingeführt wurden das RBU-Werfer-System Anfang der 1960er Jahre auf sowjetischen Kampfschiffen. Die ungelenkten, reaktiven Wasserbomben vom Typ RGB-60 sind 1,83 m lang, haben einen Durchmesser von 212 mm und wiegen 110 kg (Gefechtskopf 25 kg). Die Reichweite beträgt 350 bis 5800 m, die Sinkgeschwindigkeit im Wasser 11,5 m/sec und die Zündung kann bei 10 bis 500 m Tiefe erfolgen. Der Werfer ist 360° rundum und von -15° bis +60° höhenrichtbar. Nach Bedarf kann eine WABO oder Salven von bis zu 12 Stück verschossen werden. Unter Deck ist ein Magazin mit bis zu 96 Geschossen eingebaut. RBU-6000 kann auch zum Beschießen von Küsten verwendet werden. Ein verbessertes System bekämpft auch Torpedos. Als weitere UAW-Waffen hat KRIVAK zwei Torpedorohr-Vierlinge mittschiffs an den Bordseiten. Die langen U-Jagd-Torpedos haben ein Kaliber von 533 mm.

Als Rohrwaffen fuhr KRIVAK zwei 76,2-mm-DP-Zwillinge vom Typ AK-726 überhöht auf dem Achterschiff. Auf Schiffen eingebaut wurden diese Türme versuchsweise erstmals 1960; ab 1964 in größeren Stückzahlen. Das geringe Kaliber war am Ziel nicht sehr wirkungsvoll. Deshalb wurde es bald von den 100-mm-Einzel-Türmen AK-100 abgelöst. Die Ladung im Turm erfolgt automatisch. Die Schußfolge beträgt 40 bis 45 Schuß/min/Lauf und die Mündungsgeschwindigkeit 980 m/sec. Der Höhenrichtbereich der Waffen geht von -10° bis +85°. Es wird zwischen Ari- und Flak-Munition unterschieden. Beide Patronenvarianten sind 5,90 kg schwer und 355 mm lang. Der Flak-Sprengkopf ist mit 480 Gramm allerdings 80 Gramm schwerer als der Ari-Kopf. AK-726-Türme sah man auf vielen SU-Kampfschiffen. Die Geschützlenkung erfolgt automatisch über das Leitradar Typ MR-105 Turel (NATO-Code: Screech Owl), das man in unserer Skizze auf der Plattform direkt vor dem Kamin sieht, halbautomatisch oder auch manuell. Die theoretische Feuergeschwindigkeit beträgt 100 Schuß/min. Nach Dauerfeuer müssen die Rohre aber 3 Minuten gekühlt werden.

Klassen-Varianten

Inzwischen sind von der KRIVAK-I- bis zur KRIVAK-IV-Klasse vier verschiedene Unterklassen bekanntgeworden. KRIVAK-II, von 1975 bis 1983 in Kaliningrad gebaut, erhielten AK-100-Türme. KRIVAK-III (Abb. 4 , 1984 bis 1993 in Kertsch gebaut): Boote für die KGB-Grenztruppen , keine Silex-Starter, dafür einen Hubschrauber-Hangar und verbessertes Radar. KRIVAK-IV: Export-Version für Indien (dort als TALWAR-Klasse bezeichnet) mit Stealth-Aufbauten.

Modellbau-Unterlagen

-      1:250-Modellplan (höchstwahrscheinlich aber in 1:100 gezeichnet!) von Bernd Loose, veröffentlicht in „Modellbau Heute“ Heft 1/1988

-      Schiffsdetail-Zeichnung „Vierlings-/Fünflings-Torpedorohrsätze“ von Jürgen Eichardt

-      diverse Schiffsdetail-Zeichnungen: „Columbus-Davit“, „Beiboot JALP“, „8,5-m-Arbeitskutter“, „Minensuchgeräte“, „Großes Luft- und Seeraum-Überwachungsradar“, „Leitradar/Radarantenne“, „12-rohriger WABO-Werfer“, „76-mm-Geschütz“, „Transportables Lastdavit“ von Herbert Thiel

-      Foto-CD-ROM Jürgen Eichardt (s. oben)

Die Schiffsdetail-Zeichnungen oder die CD können Sie bei mir bzw. bei der Witwe D. Thiel in Potsdam bestellen. Die Angaben dazu sind auf meiner Homepage www.ship-model-today.de/schiffsdetails zu finden.

Jürgen Eichardt

Quellen: 

(1)   Schiffe in diplomatischer Mission“, Hans-Joachim Hiller, 2008, Books on Demand GmbH Norderstedt, ISBN 978-3-8334-7487-3

(2)   BDITELNJY i drugie“, I. N Selesnew, Reihe „Morskaja Kollekzia“ 6/2001

Weitere Fotos: 

Foto 03: Kollision zwischen dem Kreuzer USS YORKTOWN und der KRIVAK-Fregatte BESSAWETNI 1988 im Schwarzen Meer wegen unterschiedlicher Auslegung des Seerechts. (Foto: US-Navy)

Foto 04: Der Steuerbord-TR-Vierling dieser KRIVAK-I-Fregatte ist etwas ausgeschwenkt. Am Heck sieht man deutlich die VDS-Hütte. (Foto: Sammlung Eichardt)

Foto 05: Zwischen den beiden RBU-6000-Werfern steht eine Strahlschutzwand. Daneben die ovalen Nachlade-Klappen. Vorn sieht man den Silex-Starter. (Foto: Jürgen Eichardt)

Foto 06: Am Kamin sieht man die zahlreichen Öffnungen für die Gasturbinen-Ansaugschächte. Im Vordergrund sieht man eine Reckstange für das Training der Matrosen. (Foto: Jürgen Eichardt)

Foto 07: Vorn auf dem Seitengang steht ein kleines Salutgeschütz . Die Radar-Drehantennen sind nach oben gestuft angeordnet. (Foto: Jürgen Eichardt)

 

Foto 08: Die beiden 76-mm-Zwillingstürme AK-726 auf dem Achterschiff. (Foto: Jürgen Eichardt)

Foto 09: Ein recht gut gebautes KRIVAK-Modell . Auf dem Achterschiff schon AK100-Türme und beide Starter OSA-M sind ausgefahren.

Foto 10: Heck einer Fregatte KRIVAK-III von der "Küstenwache". Deutlich ist die Verschluß-Klappe für die Kammer der VDS-Anlage (variable depth sonar).

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