Die Bemühungen auch besonders schnelle Segelschiffe zu bauen, reichen weit zurück. Bei Seekämpfen zeigten sich oft kleinere Segelkriegsschiffe mit schärfer gebauten Rümpfen größeren und völligeren, also schwerfälligen Schiffen durch höhere Geschwindigkeiten und bessere Manövrierfähigkeiten überlegen. Als Kompromiß aus wünschenswerter hoher Kampfkraft und Geschwindigkeit entstanden die sog. Blackwall-Fregatten. Ab Anfang des 17. Jahrhunderts wurden an der amerikanischen Ostküste viele, meist kleinere Fahrzeuge mit relativ scharfen Rumpflinien gebaut, die man damals schon als „clipper“ bezeichnete. Im Unabhängigkeitskrieg 1775 bis 1783 erzielten die kleinen, schnellen amerikanischen Kampfschiffe gegen die schweren britischen Schiffe bedeutende Erfolge. Die besonderen Rumpfformen wurden mehrfach kopiert und weiterentwickelt und führten bis Anfang des 19. Jahrhunderts zum sog. „Baltimoreclipper“.
Die Bezeichnung Clipper rührt nicht von der englischen Bedeutung von „zerteilen“ oder „zerschneiden“ her, was vielfach behauptet wird. Dagegen ist der Ausdruck „to clip it“ für schnelles Laufen oder Fliegen eher ursächlich für diese besondere Form von Segelschiffen. Man wollte mit dieser Bezeichnung die Bewunderung zum Ausdruck bringen, daß die Schiffe mehr über das Wasser fliegen, als es zu durchschneiden. Die Bezeichnung „Klipperschiff“ ist im Übrigen nur für dreimastige und voll rahgetakelte Segler dieser Klipperart zutreffend, weil ein „Schiff“ (nur im deutschen Sprachraum: Vollschiff!) immer drei Masten mit Rahsegeln fuhr. Daneben gab es selbstverständlich auch z.B. Klipperschoner und Klipperbriggs. Der hier vorgestellte englische Klipper CUTTY SARK wäre demnach ein Klipperschiff. Er liegt heute relativ gut erhalten und vollständig restauriert in einem Trockendock in London-Greenwich. (Bei einem Großbrand in der Nacht vom 21.5. zum 22.5.2007 wurde das Museumsschiff bis auf das Stahl-Skelett fast vollständig zerstört. Glücklicherweise waren viele Teile wegen einer geplanten Restauration ausgelagert. Das Schiff wurde wieder aufgebaut und am 25.4.2012 erfolgte die Wiedereröffnung des Museums.)
Die 137-jährige Geschichte der
CUTTY SARK
(kleine Bilder anklicken) war sehr wechselvoll. Am 22.
November 1869 läuft das 963 t große Schiff in der Werft Scott, Linton & Co. in
Dumbarton bei Glasgow vom Stapel. Der Komposit-Bau ist über den Bugspriet 85,40
m (280 ft) lang und 10,97 m (36 ft) breit. Als Tiefgang sind 6,70 m angegeben.
Der Großmast hat vom Hauptdeck bis zum Flaggenknopf eine Höhe von etwa 44 m. Für
den Bau wurden beste Materialien verwendet. Außerdem hatte die Werft bisher kein
Schiff dieser Größe gebaut. Das führte dazu, daß sie am Bau dieses Schiffes
bankrott ging und das Schiff in Greenock aufgeriggt werden mußte. Das Schiff
entstand auf dem Höhepunkt der Entwicklung der sog. Teeklipper, welche für die
schnelle Tee-Einfuhr aus China zwischen 1840 und 1870 im zweiten Klipper-Boom
gebaut wurden. Der Rumpf hatte genietete Eisenspanten, die mit Teakholz beplankt
wurden. Das Unterwasserschiff war, wie üblich in dieser Zeit, mit Kupferblech
gegen Wurmfraß geschützt. Die Rumpflinien
sind scharf; der Hauptspant hat eine steile Aufkimmung, die Kimm einen großen
Radius und die Spantköpfe sind nach innen eingezogen
.
Einen Kielfall hat das Schiff nicht mehr. Als höchste Geschwindigkeit wurden
17,5 kn gemessen. Damit war die CUTTY SARK nur Durchschnitt unter den Klippern
und verdankt ihre Berühmtheit eigentlich nur ihrem Überleben bis heute. „Cutty
Sark“ bedeutet übrigens so viel wie kurzes Hemd und entspringt einer alten
schottischen Legende.
Die erste Reise führte 1870 unter
Kapitän George Moodie mit einer Ladung Alkohol um das Kap der Guten Hoffnung
nach Shanghai. Auf der Rückfahrt waren 1450 t Tee geladen. Es folgten sieben
weitere erfolgreiche Reisen. Ab etwa 1865 gibt es Berichte über die sog.
Teerennen. Am Teerennen von 1866 beteiligten sich gar 9 Schiffe. Weil es bei der
Ankunft teilweise nur um Minuten ging und heftigen Streit gab, wurden bald keine
Prämien mehr für den Sieger ausgeschrieben. Die CUTTY SARK lieferte sich
Wettfahrten mit der ähnlich getakelten THERMOPYLEA
.
1872 gewann die CUTTY SARK ein Teerennen gegen ihre Rivalin, die erst 7 Tage
später in London ankam. 1877 wurde die letzte Teeladung transportiert. Die
Eröffnung des Suez-Kanals und die immer stärkere Konkurrenz der Dampfer beendete
diese Epoche der Segelschiffahrt. Später fuhren die Schiffe noch Kohle, Wolle,
Weizen und andere Güter in der Australienfahrt.
Die CUTTY SARK wechselte noch mehrfach Eigner und Namen - und die Kapitäne. Die Jahre 1883 -95 wurden z.B. als die australischen Woll-Jahre bezeichnet. Dabei wurde die schnellste Reise von England nach Sydney in nur 77 Tagen gemacht. Ab 1895 steht sie als FERREIRA in portugiesischen Diensten und macht Frachtreisen zu Häfen rund um die Welt. 1916 wird sie in einem Hurrikan entmastet und danach zu einer Barkentine umgeriggt. Später wird das Schiff noch in MARIA DI AMPARO umbenannt. 1922 wird das Segelschiff auf Initiative von Kapitän Wilfred Dowman nach England zurückgeführt, wieder in CUTTY SARK umbenannt und mit großem Aufwand in den alten Zustand als Teeklipper gebracht. Danach wird es bis nach Ende des Zweiten Weltkrieges als Schulschiff zur Ausbildung von Seekadetten, z.B. lange Zeit in Greenhithe, verwendet.
Nach 1951 gründete der damalige Direktor des „National Maritime Museum“ in London, Frank Carr, die „Cutty Sark Society“. Diese Organisation bewahrte das Schiff vor der Abwrackwerft. In Greenwich, unmittelbar neben dem südlichen Ausgang des Themse-Fußgängertunnels, wurde ein Kanal als Trockendock geschaffen, das Schiff 1954 eingeschwommen und der Kanaleingang zugeschüttet. Nach drei Jahren weiterer Restaurierung wurde das Schiff der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Heute ist im Zwischendeck ein interessantes Marinemuseum eingerichtet. Auf dem Oberdeck befindet sich nicht alles in bester Ordnung und bedarf dringend tätiger Hände doch die Takelage ist vollständig aufgeriggt, natürlich mit abgeschlagenen Segeln.
Noch einige Worte zur Bauart des Schiffes: Das Hauptdeck ist durchgehend. Am Heck gibt es ein halbhohes Quarterdeck; hier sind die Räume für die Schiffsführung eingebaut. Auch das Backdeck am Bug befindet sich nur in halber Höhe. Dieser Raum ist nach hinten offen, dort steht das Ankerspill als Pumpspill ausgeführt. Das Schanzkleid ist aus Eisenblechen aufgesetzt und hat je Bordseite sechs Speigatts. Auf dem Holzhandlauf sitzt noch ein schmaler Setzbord mit einem weiteren schmalen Handlauf. Auf dem Hauptdeck stehen zwei große Deckhäuser mit Mannschaftswohnräumen; weitere findet man im Vorschiff. Das Galion trägt eine barbusige Frauengestalt. Diese ist aber mit mehr als einem kurzen Hemd bekleidet. Am Bug und um das Heck herum gibt es schönen, vergoldeten Zierrat. Ansonsten ist der Rumpf schmucklos.
Die drei Untermasten und der
Bugspriet sind aus genieteten Eisenblechen hergestellt; alle anderen Rundhölzer
sind noch aus Holz. Das Bugspriet hat einen langen Klüverbaum und die
Untermasten je zwei Stenge-Verlängerungen. Das Stehende Gut ist bereits aus
Stahlseilen gefertigt, jedoch noch mit Jungfern und Taljereeps gespannt. Die
Masten haben relativ geringen Fall nach hinten. Im Bereich der Marsstengen sind
die Segel schon in Unter- und Obermarssegel geteilt. Die Unterrahen hängen mit
Bügelracks in Kettenhangern. Die Untermarsrahen sitzen am Untermast-Eselshaupt
und werden nach unten zur Saling von Stützen getragen. Dagegen sind die
Obermarsrahen an Schienen an der Vorderkante der Stengen nach unten wegfierbar.
Auch die Bram- und Royalrahen aller drei Masten können herabgelassen werden,
allerdings mit ihren Tonnenracks. Auffällig ist die überragende Höhe des
Großmastes. Hier gibt es über dem Royalsegel noch ein Skysegel. Die Bramsalinge
haben für die Pardunen Ausrecker. Die Unterrahen, die Obermarsrahen der beiden
vorderen Masten und beim Großmast auch die Bramrah tragen ausfahrbare
Leesegelspieren. Hier konnten bei achterlichen Winden noch seitliche Leesegel
gesetzt werden
.
Die oberen Leesegel sind viereckig, dagegen sind die Leesegel, die an den
Unterrahen gesetzt wurden, dreieckig, damit die Schothörner bei Schlagseite
nicht ins Wasser tauchen. In meiner Zeichnung habe ich die Leesegel nicht mit
dargestellt. Das Vorgeschirr besteht aus drei Stagsegeln. Zwischen Vor- und
Großmast konnten drei Stagsegel gesetzt werden. Ihre Schoten fahren direkt
herunter zum Deck. Zwischen Groß- und Kreuzmast erkennt man nur zwei Stagsegel,
aber an der Achterkante des Großmastes ein relativ kleines Schonersegel ohne
Schonersegelbaum. Ganz hinten steht noch ein Besansegel, das mit Dempgordingen
zum Kreuzmast hin aufgegeit wird. Ein Gaffeltoppsegel gibt es nicht.
Interessant ist, daß erst 1999/2000 mit STAD AMSTERDAM
(www.stadamsterdam.nl
) und CISNE BRANCO
(weißer Schwan) für die brasilianische Marine auf der „Damen Oranjewerf“ in
Amsterdam zwei Segelschiffe gebaut wurden, die sich weitgehend an die
Rumpfformen und Takelagen der Teeklipper anlehnen. Einen relativ einfachen
Plansatz der CUTTY SARK
,
gezeichnet von G. F. Campbell im englischen Maßstab 3/32“ = 1 ft (M 1:28) kann
man im Museumsshop an Bord des Schiffe erwerben. Ausführlich informiert die
Webseite
https://de.wikipedia.org/wiki/Cutty_Sark über das Museumsschiff. Die hier
(oben erstes Bild) abgedruckte Seitenansicht können Sie bei
Interesse bei mir in der gezeichneten Originalgröße (M 1:100) erwerben. Außerdem
habe ich seit meiner letzten London-Reise eine
Foto-CD-ROM mit weit über 200 (Detail-)Fotos im
Angebot (Tel.: 0721-47040072).
Jürgen Eichardt
Weiterführende Literatur:
- „Schnellsegler 1775 - 1875“, David R. MacGregor, ISBN 3-89350-044-8, 26 x 30 cm, 315 Seiten,
- „Masting and Rigging the Clipper Ship & Ocean Carrier“, Harold A. Underhill, ISBN 0-85174-173-8, 18 x 24 cm, 304 Seiten,
- “Klipperschiffe des 19. Jahrhunderts”, Wolfgang Hölzel, 17 x 25 cm, 100 Seiten,
- „Klipperschiffe und Schnellsegler“, Walter A. Kozian, ISBN 3-7822-0868-4, 24 x 33 cm, 256 Seiten,
Weitere Fotos:
Foto 01:
Blick in die beeindruckende Takelage der beiden vorderen Masten, nur der
Großmast trägt noch Leesegelspieren.
Foto 02:
Nahaufnahme vom Zierband um das Heck herum, links-oben erkennt man eine
Besanschot, rechts die schräge Gegenhaltekette für den hinteren Braßbaum.
Foto 03:
Aufnahme der Marssaling vom Vormast. Die Rahen sind schwarz gestrichen, die
Schoten sind schon Kettenläufer.
Foto 04:
Blick vom Backdeck aus über den Klüverbaum, die Gitter in den Relingfeldern sind
ein nur Zugeständnis an die Sicherheit der Besucher, Bugspriet und innerer Teil
des Klüverbaum sind weiß gepönt, im Hintergrund die nahe Themse – bei
Hochwasser.
Foto 05:
von links nach rechts: ein Deckhaus, Nagelbank, eine Lenzpumpe mit den großen,
seitlichen Schwundrädern (Bilgenpumpe), Mast mit Mastkragen, Nagelbank und eine
Deckwinde. Die Nagelbänke sind nicht voll besetzt.
Foto 06:
Das Stb.-seitige WC (?) am Aufgang zum Backdeck. An dessen Hinterwand sind die
Spillspaken für die Ankerwinde gelagert. Links der Niedergang zu den Räumen im
Vorschiff. Man sieht: nicht alles ist im Top-Zustand.
Foto 07:
Das im Text erwähnte Eisenblech-Schanzkleid mit dem breiten und oben auf noch
einem schmalen Handlauf mit den schräg stehenden Stützen. Der Wassergang ist
weinrot gestrichen. Links-vorn die drei Belegnägel für die holenden Parten der
Vorsegelschoten. Man erkennt auch die in die Laibhölzer eingekämmten
Decksplanken.
Die berühmte CUTTY SARK war oft
beliebtes Objekt für "Seestücke", hier vier Beispiele:
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