Polnischer Bergungsschlepper CYKLON

 polish salvage tug CYKLON

Bei vielen Schiffsmodellbauern ist der Modellnachbau von Spezialschiffen wegen der oft interessanten Technik und dem ungewöhnlichem Aussehen und Farbgebung sehr beliebt. Dabei stehen Rettungsschiffe und Rettungskreuzer in der Gunst der Modellbauer weit vorn. Selbstredend werden oft die Rettungskreuzer der „Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ (DGzRS) modelliert. Weil es jedoch auf die Dauer tatsächlich langweilig wird, stets die gleichen Modellboote zu sehen, sind etliche Modellbauer glücklicherweise schon auf die Idee gekommen, auch einmal nicht minder schöne Rettungskreuzer fremdländischer Rettungsdienste nachzubauen. Oft sah man in der Vergangenheit bereits sehr schöne Modelle der polnischen HALNY (unbekannter Modellbauer) bzw. auch der DDR-STOLTERA (Modellbau Hubert Wagner). Ganz einfach deshalb, weil es von diesem Boot (Typ R17) sehr detaillierte Modellpläne gibt. Mein Modellplan ermöglicht es z.B. auch, eines der beiden vom Seenotrettungsdienst der DDR gefahrenen R17-Bootes, die STOLTERA, in ihrer etwas anderen Detailausführung zu bauen. Zudem hatten die beiden DDR-Schwestern (das 2. Boot war ARKONA (II)) mit dem orangefarbenen Überwasser-Rumpf eine attraktivere Farbgebung. Eine besondere Farbgebung trägt die polnische SCIROCCO . Die Boote vom Typ R17 sind mit ihrer „Höchstgeschwindigkeit“ von nur 10 Knoten zwar eher lahme Enten als Rettungsschiffe, vom äußeren Erscheinungsbild jedoch wunderschön.

Nur wenigen Modellbauern ist bekannt, daß der Typ R17 einen „großen Bruder“, die Rettungsschiffe vom Typ R27 , hat. Ist der Zweischrauber-Typ R17 nur etwa 21 Meter lang, bei 75 Tonnen Verdrängung, so bringt es der Typ R27, eigentlich ist es ein ausgewachsener Bergungsschlepper, schon auf 30 Meter Länge und 300 Tonnen Einsatzverdrängung. Das Design ähnelt stark den kleineren Booten vom Typ R17. Das darf nicht wundern, denn beide kommen aus dem gleichen Konstruktionsbüro der Werft „Wisla“ in Gdansk. Vom Typ R17 wurden für den polnischen Seenotrettungsdienst (Polskie Ratownictwo Okretowe = PRO, 1951 gegründet, 12 Rettungsstationen an der polnischen Ostseeküste) sechs Boote in Dienst gestellt; in der DDR, wie erwähnt, zwei weitere. Vom größeren Typ R27 fuhren nur in Polen fünf Fahrzeuge: CYKLON als Prototyp, (Stapellauf am 15.9.1973, Indienststellung am 1.2.1975) später wurden noch HURAGAN, TAJFUN, TORNADO und SZTORM-2 gebaut.

Als Maßangaben sind bekannt:

Länge über alles = 30,30 m, Länge zwischen den Perpendikeln = 26,50 m, Länge in der Konstruktionswasserlinie = 27,23m, Breite auf Deck = 8,04 m, Konstruktionsbreite = 7,60 m, Seitenhöhe = 3,90 m, Konstruktions-Freibord = 0,60 m, Konstruktionstiefgang = 2,70 m, Tiefgang maximal = 3,13 m

Der Rumpf ist aus Schiffbau-Stahl geschweißt; die Deckshäuser sind aus Aluminium gefertigt. Sechs wasserdichte Querschotten unterteilen den Rumpf in sieben Abteilungen. Der Rumpf hat eine schöne Schlepperform mit ausfallenden V-Spanten im Vorschiff. Die Aufkimmung im Mittschiffsbereich ist nahezu geradlinig . Der Rumpf hat an Seite-Deck, wie die R17-Vorläufer auch, eine umlaufende Gummi-Scheuerleiste. Das Schanzkleid ist in der Mitte der Rumpflänge unterbrochen; am Heck stark nach innen eingezogen. Ein Eissporn schützt den Ruderschaft bei Rückwärtsfahrt. Das Ruder wird unten von einer Ruderhacke gehalten. Die Brückenfront ist stark nach vorn geneigt. Zumindest von SZTORM-2 und von HURAGAN ist bekannt, daß der vordere Teil des Schanzkleides oben am Sommerfahrstand für eine bessere Sicht nach voraus mit drei Plexiglas-Scheiben verkleidet ist. Bei CYKLON ist nur der obere Teil des Windleitbleches verglast. An der Steuerbordseite des Bootsdecks ist ein kleiner Bootskran zum Aussetzen des an der Deckshaus-Achterkante quergelagerten Beibootes installiert. CYKLON fährt ein aufblasbares Gummi-Speed-Boot; die Schwesterschiffe GfK-Boote etwa gleicher Dimensionen. Oben auf dem Deck vom Sommerfahrstand steht eine Feuerlöschkanone. Angetrieben wird der Typ R27 von zwei Fünfzylinder-Dieselmotoren Cegielski-Sulzer vom Typ „5AR25“ von je 600 PS bei 600 U/min. Die Motoren werden durch Preßluft gestartet. Sie wirken über ein Rädergetriebe auf eine Welle mit einem gußeisernen, drei-flunkigen Festpropeller. Das Antriebssystem verleiht dem Bergungsschlepper eine Freifahr-Geschwindigkeit von 12 Knoten bei einer Fahrstrecke von 1.800 Seemeilen. Die Rudermaschine arbeitet elektro-hydraulisch; die zusätzliche Not-Steuerung hand-hydraulisch. Die massive Schleppwinde „S-100“ (Hersteller NORWINCH) auf dem Achterdeck hat eine Zugkraft von 7,4 Tonnen bei Spillgeschwindigkeiten von bis zu 15,5 m/min bzw. 31 m/min. Das Schiff hat mehrere starke Pumpen an Bord: eine Lenz- und Feuerlöschpumpe von 150 t/Stunde Leistung sowie zwei tragbare, dieselbetriebene Pumpen von je 60 t/Stunde (US-Dieselmotoren!) und weitere zwei tragbare Elektromotor-Pumpen von ebenfalls 60 t/Stunde Leistung. Zwei Diesel-Generatoren im Bugmaschinenraum liefern Strom für das Dreiphasen-380-V-Kraftstromnetz und für das 220-V-Lichtstromnetz. Die Stammbesatzung besteht aus acht Mann. Zusätzlich können weitere zehn Schiffbrüchige in Kabinen aufgenommen werden. Wie alle Rettungskreuzer des PRO sind auch die des Typs R27 über alles weiß gepönt, mit schwarzen Schornsteinkappen. Schornsteinwappen und Malteserkreuze sind rot.

Wem meine Zeichnung und mein Beitrag zum Modellbau dieses wunderschönen Bergungsschleppers angeregt hat: Der polnische Modellplan-Zeichner der Sonderklasse, Ryszard Crzanowski, hat einen extrem detaillierten Modellplan von CYKLON, ausgelegt für den Modellmaßstab 1:25, erarbeitet. Der Plan besteht aus zwölf Bögen (!) A1 groß. Alle kleineren Details wurden im M 1:12,5 gezeichnet. Deswegen kann das Modell sogar bis zu diesem großen Maßstab gebaut werden. Es würde dabei jedoch schon 2,42 m lang! Also Vorsicht vor so einem Projekt. Im M 1:25 sind es „kofferraumfreundlichere“ 1,21 m Modell-Länge. Vom Modellplan-Autor habe ich die Erlaubnis, seine Anschrift zu veröffentlichen, damit man den Plan für € 45,00 bei ihm bestellen kann:

Ryszard Chrzanowski, ul. Sucharskiego 1 B/6 ,81-157 Gdynia, POLSKA – Republik Polen

Zusätzlich zum Plan kann man Fotoserien von je 160 Schwarz-weiß-Fotos (durchweg Detailaufnahmen!) bestellen: im Format 9 x 13 cm für € 60,00 sowie im Format 13 x 18 cm für € 80,00. Jedoch sind die Planzeichnungen so gut, daß man die Fotos eigentlich nicht benötigt. Und so soll es ja bei einem guten Modellplan sein.

Jürgen Eichardt

Bild-Texte:

Foto 1: CYKLON in einem polnischen Hafen. Diesem Bauzustand entspricht der im Text erwähnte Modellplan.

Foto 2: Auch am Bug-Schanzkleid fahren die polnischen Rettungsschiffe das Malteser-Kreuz. CYKLON hat kein verglastes Schanzkleid an der Front des Sommerfahrstandes, dort wo der kleine Decksscheinwerfer hängt.

Foto 3: Das Schwesterschiff SZTORM-2 im Militärhafen Swinoujscie, ehemals Swinemünde. (Weil ich die Fotos im Militärhafen gemacht habe, überall hingen Fotografier-Verbotsschilder, hat man mich verhaftet, ein Offizier, zwei Soldaten mit Maschinenpistolen, und für zwei Stunden in Untersuchungshaft genommen, Gitter vor den Fenstern, leerer Raum, Tisch, Stuhl, Wachposten, gleich zwei Dolmetscher wurden organisiert, denen konnte ich dann verständlich machen, daß ich ein Modellplanzeichner aus der (befreundeten) DDR bin, meine belichteten Filme durfte ich zur Kontrolle in Polen lassen, sie wollten sie mir nach Altenburg nachschicken, ich warte bis heute darauf...den Film in der Kamera konnte ich vorbeischmuggeln)

Foto 4: Auf dem Foto sieht man sehr schön die verglasten drei Felder am Schanzkleid des Sommerfahrstandes.

Foto 5: Heckansicht. Als Heimathafen ist Gdynia angegeben.

Foto 6: Die eigenartige Mastform ist kennzeichnend für zahlreiche polnische Spezialschiff-Bauten jener Zeit. SZTORM-2 fährt am Mast nur eine Radar-Drehantenne.

Foto 7: An der Backbord-Reling ist ein Rettungsnetz aufgerollt und festgebunden. Leider habe ich nur diese Fotos von der Backbord-Seite des Schiffes. Zum Fotografieren ließ man mich nicht an Bord. 

Foto 8: Eine andere Aufnahme vom interessanten Brückenaufbau. Auf dem Kunststoff-Boot über der Schleppeinrichtung ist noch ein Gummi-Beiboot gezurrt.

Foto 9: Die Maschinenraum-Haube mit den geöffneten Oberlichtern. Der Schlepphaken ist an der Steuerbord-Seite festgesetzt. Im Vordergrund erkennt man an einer Halterung einen Schraubstock. 

Foto 10: Auch die Schleppwinde war mit einer großen, blauen Plaste-Plane abgedeckt. An der Hinterkante eine Auflage für das Schleppseil, weiter hinten noch zwei breitere Bügel, die über die gesamte Decksbreite reichen. Ganz hinten steht eine Holzbank für „Musestunden“ an Bord. Auf der anderen Hafenseite liegen einige Minensucher der sowjetischen T43-Klasse. 

Foto 11: Noch eine Gesamtaufnahme von SZTORM-2 von achtern.

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