submarine hunters of the soviet project 122bis
Der Bau von eigenständigen U-Jägern hat in der sowjetischen Marine sehr bescheidene Anfänge. 1935 wurde mit dem nur 26 m langen und 51 t verdrängenden Holzboot MO-1 (MO = Maljy Ochotnik = kleiner Jäger) bei der Schwarzmeer-Flotte ein einziger kleiner U-Jäger in Dienst gestellt, welcher mit nur vier Rohrwaffen (2-45-mm-, 2-12,7-mm-) und am Heck mit Ablaufgestellen für Wasserbomben bewaffnet war. Die Boote der danach weiterentwickelten Klasse MO-2 waren wesentlich schneller (14 kn) und stärker bewaffnet, aber nicht größer und der Rumpf war ebenfalls aus Holz gebaut. Davon wurden 1935/36 27 Boote fertiggestellt.
Auch die Folgetypen MO-3 und MO-4
hielten am Grundkonzept eines kleinen Holzbootes fest. Die MO-4-Klasse hatte
zumindest schon drei Motoren von je 870 PSe, welche den Booten eine
Geschwindigkeit von 25,5 kn gaben. Sie waren bei 56 t Verdrängung 26,9 m lang
und 4 m breit. Bis zum Sommer 1941 sollen 80 Boote in Dienst gegangen sein.
Einige Boote wurden noch nach dem Krieg auf zwei
37-mm-Einzel-Waffenstände 70-K
umarmiert und erhielten „Skin Head-Radar“, welche man z.B. von den TS-Booten der
P6-Klasse
kannte. Offenbar waren die beiden WABO-Abrollbahnen am Heck demontierbar, denn
das Achterdeck hatte zwei Minengleise zur Anbordnahme von wenigstens vier Minen.
Im Jahre 1942 ging eine weitere kleine Klasse von etwa 60 Booten, als kleine U-Jäger „BMO“ in Dienst. Auch diese Boote waren nur 24,7 m lang und 4,4 m breit bei 1,2 m Tiefgang und hatten eine Verdrängung von 61 t. In die Glattdecker waren als Antrieb zwei 1.000-PS-Diesel Typ „M50“ (bekannt von den TS-Booten) und ein 400-PS-Marschdiesel eingebaut, welche auf drei Propeller wirkten. Sie waren damit 20 kn schnell und mit einer 45-mm-Kanone, einer 37-mm-Flak 70-K auf dem Vorschiff, einem 12,7-mm-MG sowie 16 großen Wasserbomben bewaffnet. Zwei WABO-Ablaufbahnen standen am Heck auf den Minengleisen. In der Minenleger-Rolle konnten also 10 Minen an Bord genommen werden.
Als U-Jäger waren diese kleinen
Boote allesamt nur im engeren Küstenvorfeld zu gebrauchen. Mit der BO-2-Klasse
(BO = Bolschoi Ochotnik = großer Jäger) wurden erstmals ab 1941 einige
fronttaugliche, 48,5 m lange, 5,75 m breite und 275 t (Standard) verdrängende
U-Jäger in Dienst gestellt. Trotz der Lend-Lease-Lieferungen von Motoren für
diese Klasse aus den USA kamen die meisten dieser Boote aber im Kriege nicht
mehr zum Einsatz. Als im Krieg dann die Konvois im Nordmeer gegen Angriffe der
deutschen Tauchboote gesichert werden mußten, erhielt die Sowjet-Marine u.a. 138
(!) U-Jäger allein aus den USA (neben neun Zerstören). Darunter 28 große
Fregatten der TACOMA-Klasse
für die sowjetische Pazifik-Flotte.
Die genannte BO-2-Klasse umfaßte
die sowjetischen Projekte 122 (2 Boote) und 122a (39 Boote)
.
Sie wurden auch unter dem Namen des ersten Bootes vom Projekt 122a als Typ
„Artillerist“ bekannt. Nur 32 davon erhielten Namen wie „Torpedist“,
„Maschinist“, „Mechanik“, „Motorist“ usw. Drei Diesel zu je 1.100 oder 1.200 PS
ergaben eine Geschwindigkeit von 22 kn. Die Bewaffnung war schon recht
ausgewogen: 1-76,2-mm-Kanone 34-K
(85° Rohrerhöhung, 15 bis 18 Schuß/min), 2-37-mm-Flak 70-K, 3-12,7-mm-MG DSchK
,
18 große und 16 kleine Wasserbomben (eine Heck-Ablaufbahn und zwei
Stempelwerfer), Nebelanlage und ein Kutter-Räumgerät mit einer Räumotter.
Unmittelbar aus dieser Klasse
weiterentwickelt wurde das Projekt 122bis (bis = noch einmal). Im Westen wurden
diese Boote als KRONSTADT-Klasse
bekannt, benannt nach dem Seegebiet, in dem das erste Boot der Klasse zum ersten
Mal gesichtet wurde. Gebaut wurden sie im Zeitraum von 1946 bis 1955 in
Zelenodolsk und Severodvinsk. Als in den 60er-Jahren wesentlich größere
U-Jagdschiffe bei der Sowjet-Marine in Dienst gingen, wurden die Boote zu
„Kleinen U-Jagdschiffen“ zurück-klassifiziert. Gegenüber dem Typ „Artillerist“
wurde die KRONSTADT-Klasse in Details verbessert. Die Rümpfe waren mit 52,24
(51,75 m Konstruktionslänge, 49,5 m Länge in der KWL) x 6,20 (Breite ohne
Scheuerleisten) x 2,20 (Tiefgang) m und 207/325 t Verdrängung leicht größer. Das
Deck am Bug wurde für eine bessere Seefähigkeit gerundet und die volle
Rumpfbreite so weit zum Achterschiff verschoben, daß hier nun zwei Ablaufbahnen
für Wasserbomben zwischen den Minengleisen installiert werden konnten. Die
Rumpflinien sind sehr gefällig
.
Auf dem Vorschiff steht nun eine 85-mm-Kanone Typ 90-K
(240 Schuß Kampfsatz) und auf dem Achterschiff zwei 37-mm-Einzelflak
70-K (1.200 Schuß). Hinter dem
Schornstein und auf einem Podest vor der Brücke stehen drei
12,7-mm-Zwillingsflak 2M-1
(3.000 Schuß Vorrat). Der Vorrat an großen Wasserbomben beträgt 20 Stück und 16
kleine WABO´s. Etatmäßig sind auf dem Achterschiff zwei Stempelwerfer
für WABO´s und ein Nebelgerät aufgestellt. Wenn das Beiboot mit Zurrbrooken
außenbords gefahren wird, können 18 kleine Minen Typ „Jam“
an Bord genommen werden. Für diesen Zweck hat das Projekt 122bis Minengleise auf
jedem Seitengang. In die erste Serie wurden noch je drei 960-PS-Dieselmotoren
von General Motors eingebaut (drei Propeller). Die späteren Boote erhielten je
drei sowjetische Diesel Typ „9-D“ von je 1.100 PS Leistung. Damit kamen sie auf
18,7 kn Geschwindigkeit (18,7 kn = 399 sm Fahrstrecke). Bei nur 8,5 kn war die
Fahrstrecke 3.000 sm groß. Die Seeausdauer betrug 10 Tage und 54 Mann Besatzung
war an Bord. Als Sensoren hatten die Boote „Neptun“-Radar und „Tamir-10“-Sonar.
229 Einheiten wurden nach meinen
Unterlagen insgesamt gebaut. Davon wurden vier KRONSTADT-Boote 1958 nach
Albanien, zwei 1957 nach Bulgarien, achtzehn 1962 bis 1968 nach Cuba, vierzehn
1962 nach Indonesien, vier zwischen 1955 und 1957 nach Polen, drei 1960 nach
Rumänien und zehn 1955 nach China abgegeben. Außerdem hat China 14 Boote unter
Lizenz selbst gebaut. Verständlich, daß man bei dieser großen Serie auf Fotos
viele Unterschiede im Detail feststellen kann. Es gibt Boote mit einer anderen
Brückenform, mit Radargerät und Scheinwerfer am Mast oder ohne, mit E-Meßgerät
auf der Brücke oder ohne, andere 12,7-mm-MG´s, nachgerüstete
14,5-mm-Fla-MG´s Typ „2-M-7“
.
Einige Boote hatten auf dem Vorschiff neben dem 85-mm-Turm zwei schrägstehende
Startanlagen für reaktive Wasserbomben
(Konstruktionsübernahme von der US-Navy), an gleicher Stelle später zwei
Fünffach-Werfer für reaktive WABO´s Typ RBU-1200
.
Einige Boote, so die Baunummern 833 und 936 wurden offenbar als Versuchsboote
für den Einbau von Gasturbinen-Anlagen umgebaut, viele wurden nach ihrer
Dienstzeit bei der Flotte zu anderen Zwecken umgerüstet und weiterverwendet,
eines diente sogar als Vierschornstein-Kreuzer OTSCHAKOV als „Statist“ für einen
Spielfilm…
Für die Anfertigung meiner Skizze (im M 1:75 auf dem Reißbrett) hatte ich exakte Werftpläne. Auch der Riß der Spanten ist authentisch. Unsere Schiffsporträts sollen zum Modellnachbau anregen – nicht verleiten! Deshalb für Interessierte einige Hinweise: Die hier verkleinerte Skizze können Sie bei mir in den Größen M 1:100 und 1:66,66 als Plan bestellen, bitte informieren Sie sich darüber auf meiner Homepage. Von den genannten 12,7-mm-, 14,5-mm- und 37-mm-Waffenständen gibt es Schiffsdetail-Zeichnungen. In der russischen Heft-Reihe „Morskaja Kollekzia“ ist als Heft 1/2004 der Titel „Bolschie Okhotniki Projekta 122a/122bis“ erschienen. Auf der Webseite http://www.wunderwaffe.narod.ru/Magazine/BKM/122/Picture/index.htm sind einige (teils sehr schlechte) Fotos vom Projekt 122bis zu finden. Dummerweise hat man mehrmals 2 bis 3 Fotos zusammen als eine Datei gescannt. Wenn man die Bilder aber auseinanderschneidet, erkennt man etwas mehr auf dem Bildschirm. Als weiterführende Literatur zum Thema kann ich neben dem oben erwähnten Heft empfehlen:
- „U-Boot und U-Jagd“, Günter Krause, Militärverlag der DDR, 1984
- „Raising the Red Banner – the Pictorial History of Stalin´s Fleet 1920 - 1945“, Vladimir Yakubov/Richard Worth, 2008, ISBN 978-1-86227-450-1
- “Warships of the USSR and RUSSIA 1945-1995”, A. S. Pavlov, 1997, ISBN 1-55750-671-X
- “Z-Vor!”, Harald Fock, Koehler-Verlag 1998, ISBN 3-7822-0268-6
- „Enzyklopädie des sowjetischen Kriegsschiffbaus“ Band 3, Siegfried Breyer, Koehler-Verlag 1991, ISBN 3-7822-0437-9
Ich danke Herrn Jaroslaw Malinowski, Redakteur der polnischen Zeitschrift OKRETY WOJENNE (OW = Kriegsschiffe) herzlich für die Fotos.
Jürgen Eichardt
Bildtexte:
Foto 1: Ansicht von hinten in den fast vollständig erhaltenen Waffenstand 85-mm 90-K. Das Ausstellungsstück habe ich einmal auf dem Freigelände des Armeemuseums Dresden fotografiert. Ob es in Zukunft dort wieder zu sehen sein wird, ist mir nicht bekannt.
Foto 2:
Ein KRONSTADT-Boot im Dienst bei der polnischen Seekriegsflotte während einer
scharfen Backbord-Wende. Die Davids für das Beiboot sind hier, im Gegensatz zu
meiner Zeichnung, aufgestellt.
Foto 3:
Hinter dem Wellenbrecher auf der Back erkennt man den steuerbordseitigen,
niedergelegten Salvenwerfer für reaktive WABO´s. Die Brückenfront hat hier drei
rechteckige Schiffsfenster und der Pfahlmast einen Mastkorb mit Scheinwerfer.
Foto 4:
Die 12,7-mm-Zwillingsflak 2M-1 hat hier einen Splitterschutz aus Plaste (GFK).
Der braunrote Deckanstrich ist bei der Sowjet-Marine üblich.
Foto 5:
Bei dem Foto sieht man neben dem Buggeschütz die aufgerichteten Salvenwerfer.
Der Pfahlmast hat eine Scheinwerfer-Plattform. Am Bug der obligatorische rote
Stern.
Foto 6:
Schöne Sicht von oben in den offenen (Sommer-)Fahrstand. Rechts ein Matrose an
einem E-Meßgerät.
Foto 7:
Bei diesem Foto sind mehrere Dinge interessant: der Mast ist umgelegt und auf
dem Kamin abgestützt, man sieht eine andere Form der 12,7(?)-mm-MG´s, eine
andere Form der Brücke, am Kaminfuß ist der demontierte, stromlienenförmige
Sonar-Dom befestigt. Außerdem erkennt man gut den Außenhautknick knapp unterhalb
der Linie Seite-Deck.
Foto 8:
(Danke Jarek für die Fotos) Zwischen der hinteren
37-mm-Flak und den WABO-Abrollbahnen sieht man neben den Minengleisen die beiden
WABO-Stempelwerfer stehen. Das Nebelgerät steht auf der Backbord-Seite. Das hier
abgebildete Boot entspricht weitgehend meiner Skizze – ein wunderschöner Rumpf!