Modell-Lackierungen

Von Besuchern meiner Homepage und auf Ausstellungen wurde ich schon oft nach der Art meiner Modell-Lackierungen gefragt. Das ist ein weites Thema, weswegen ich an der Stelle ausführlich davon erzählen möchte. Einer meiner Vorbilder im Modellbau hat einmal den wichtigen Satz formuliert: Farbe verdeckt keine Baufehler, sie macht sie nur deutlicher sichtbar! Deshalb ist grundsätzlich zu sagen: die erste Voraussetzung für ein gutes Finish beim Modellbau, gleich welcher Art, ist sauberste und genaueste Bauweise: gerade, ebene und glatte Flächen, schöne Radien und Kurven, scharfe Kanten, rechte Winkel, Parallelitäten, vollkommen gleiche Abstände, exakt senkrecht stehende Teile, kreisrunde Bohrungen usw. Diese Dinge sind machbar und ohne sie nützt die aufwendigste Lackierung nichts. Fünflings-TR-Satz für mein 1:50-Modell USS CASSIN YOUNG. Auf dem provisorischen Standbrett liegen einige Schott-Türen für das Modell. (Foto: Jürgen Eichardt) (kleine Fotos durch Anklicken vergrößern)

  Die Laufbahn-Abzeichen am Fahrstand dieses Volksmarine-TS-Bootes (M 1:25) wurden vierfach größer auf Papier gemalt und danach mit einem Zoom-Farbkopierer in zwei 50%-Schritten auf den Modellmaßstab verkleinert. (Foto: Jürgen Eichardt) Es gibt zwischen Bauausführung und Lackierung eine eigenartige Wechselwirkung. An einem guten Modell meint man von der Lackierung beeindruckt zu sein, in Wirklichkeit wirkt aber – fast unbewußt und mehr im Hintergrund – die gute Bauausführung.

Ein Reizthema: Alterungen an Schiffsmodellen. Das ist nach meiner Auffassung die „hohe Schule“ der Farbgebung. Rost-, Dreckflecken, abgeriebene Farbe usw. sind für eine „szenische Darstellung“, z.B. bei einem Diorama, ein Muß.  Feuerleitgerät SPG-60 im Original… (Foto: Jürgen Eichardt)

…und als szenische Darstellung im M 1:48 vom Großmeister des Modellbaus Thomas Matzer aus Österreich. Dieses Feuerleitgerät wird einmal Teil des Fregatten-Modells USS BRADLEY werden. (Foto: Thomas Matzer) Noch einmal USS BRADLEY, die abgestellten SEA-HAWK-Hubschrauber auf dem Achterdeck. Auch hier überall mäßig angebrachte Alterungsspuren. (Foto: Thomas Matzer) In ein Diorama stellt man kein „werftneues“ Modell. Wenn das nicht auf den Punkt gelingt - viele Eisenbahn-Modellbauer oder auch die Fans von Plastik-Kits können uns hier einiges vormachen - sieht es eher mißlungen aus und auch danach, als will der Modellbauer nur von offensichtlichen Ungenauigkeiten in der Bauausführung seines Modells ablenken. Zu einer szenischen Darstellung gehören z.B. auch bei einem Schiffsmodell, die eingebeulten Bordwände zwischen den Spanten und Stringern mit darzustellen oder auch windgeblähte Segel bei Seglermodellen. Ich kann es nicht, bzw. habe aus dem Stand keine sofort greifbare Idee, deshalb baue ich lieber werftneu und lasse ein Segelschiffsmodell ohne Segel. Beispiel im Foto Der Italiener Lino Daziari hat nach meinem Modellplan SSS WILHELM PIECK (Best.-Nr. pl009) ein hervorragendes 1:50-Modell gebaut. (Foto: Jürgen Eichardt) Wobei noch zu sagen ist, daß man sich bei jedem Modellnachbau eines Schiffes/Bootes (besonders bei Segelschiffen) genau überlegen soll, in welchem Zustand baue ich, liegt das Schiff im Hafen, ist es in See, von wo weht der Wind usw.? Ich habe schon Schlachtschiffe auf dem Modellteich gesehen, bei denen die gesamte Besatzung einschließlich der Bordkapelle achteraus angetreten ist und mit an der Bordwand herabgelassener Stelling…(!)

Wir wollen über Lackierungen reden. Ich kann nur meine eigenen Erfahrungen weitergeben. Man muß wissen, daß ich fast nur Standmodelle (Vitrinen-Modelle) baue, bei denen eine besondere Haltbarkeit und Beanspruchung der Farbe nicht im Vordergrund steht. Modellbauer von Fahrmodellen, die auf das Wasser gehen, müssen daher meine Farbgebungsweisen etwas modifizieren.

Wie bereits erwähnt, müssen die Flächen vor allem glatt sein. Ein Deckshaus z.B. aus Sperrholz zu bauen, um es für eine glatte Fläche zu spachteln und zu schleifen und bei der Gelegenheit sämtliche Kanten „rund zu lutschen“, ist keine moderne Bauweise. Ich lasse auch nicht das Argument gelten, daß doch Sperrholz so schön leicht sei. Wenn ich an allen (!) möglichen Bauteilen durch geeignete Technologien (z.B. hohl und sehr dünnwandig bauen) stets an Gewicht spare, so kann ich auch großflächige Deckshäuser und anderen „Schachtelmannskram“ aus modernen Baumaterialien (Messing-, Bronze- und Alu-Blech, kupferkaschiertes Leiterplatten-Material, allerdings dieses nicht mit Glasgewebe-, sondern mit Pertinax-Kern, Polystyrol, Plexiglas usw.) bauen, welche die absolut glatte Oberfläche als Halbzeug bereits „mitbringen“. Planke Metallteile, wie hier der Rückstoßbereich an den 127-mm-Kanonen, mache ich aus Stahl und spritze sie farblos oder auch ohne Spritzung aus Edelstahl. Auch Neusilber (eine Art Messing) erzeugt einen Stahl-Effekt. Die schwarze Schartenmanschette am rechten Geschützturm ist ein Plexiglas-Stück, mit Zahnarzt-Fräsern von Hand in Form gefräst (Faltenwurf!). Die Rundungen an den Türmen sind gedrehte und gefräste „Viertelschalen“, so exakt kann man Blech nicht biegen! Der Bau dieser insgesamt fünf Türme hat ein halbes Jahr gedauert. (Foto: Jürgen Eichardt)

Ist eine Grundierung nötig? Bei mir nie. Es kommt bei mir nur darauf an, einen gleichmäßig sehr dünnen und deckenden Lacküberzug aufzubringen. Sehr dünnschichtig schon deswegen, damit die Farbe die feinsten Details, die ich mit viel Aufwand und Überlegung hergestellt habe, nicht „ersäuft“. Bootswinde im M 1:50 noch ohne Farbe. Ohne Dreh- und Fräsmaschinen ist ein solcher Modellbau nicht möglich. (Foto: Jürgen Eichardt) Deswegen spritze ich auch fast nur, meist mit einer kleinen Airbrush-Pistole. Spraydosen aus dem Baumarkt sind für eine Modelllackierung nicht geeignet. Mit ihnen kann man höchstens ein Garagentor spritzen. Beim Farbauftrag mit einem Pinsel läuft die Farbe gern in Innenecken zusammen und rundet diese unschön aus. Es sei denn, ich will das so, weil das Modelldetail im Original ein Gußteil mit den charakteristischen Innenecken ist. Bei Teilen, die nach der Lackierung noch montiert werden müssen, soll man die etwaige Dicke der Farbschicht mit einrechnen. Einen gespritzten 1-mm-Draht bekomme ich nicht in eine genaue 1-mm-Bohrung, ohne die Farbschicht wieder wegzuschieben. Überhaupt kleben, kleine und kleinste Teile, die fast nichts wiegen, nur halten müssen, kann man durchaus mit Lack ankleben. Oft hat man auf Metallteilen Anriß-Linien für das Bohren von Löchern usw. Diese und andere Kratzer müssen vor der Lackierung überschliffen werden. Dazu verwendet man die kleinen elastischen Schleifkörper, die es in verschiedenen Formen gibt. Die „Scheiben“ haben etwa 20 mm Durchmesser, es gibt auch spindelförmige Schleifkörper. (Foto: Jürgen Eichardt) Doch Vorsicht, sie sind sehr scharf und schnell hat man eine Delle eingeschliffen, die man nun wieder unschön nach der Lackierung sehen kann.

Lötstellen müssen vor einer Lackierung besonders sorgfältig nachbearbeitet werden. Man hat schon viel gekonnt, wenn die Lötstelle kaum überschüssiges Lötzinn hat (Über den richtigen Umgang mit dem Lötkolben beim Weichlöten lesen Sie bitte in (3) Seiten 101 bis 103). Dieses zu entfernen, gibt es mehrere Möglichkeiten:

-      Verstreichen des überschüssigen Lötzinns mit der Kolbenspitze und mit dem mit Lötsäure getränkten Pinsel auf die benachbarten Flächen,

-      Abbürsten mit einer kleinen rotierenden Drahtbürste, Lötzinn ist sehr weich!,

-      Abfräsen mit Zahnarzt-Fräsern, Vorsicht, nicht in das Metall einfräsen,

-      Abschaben mit einem kleinen Dreikantschaber (Dreikant-Nadelfeile).

Erst wenn kein Zuviel von Lötzinn mehr vorhanden ist, soll man spritzen. Ebenso sollte man nach überschüssigem Kleber kontrollieren und diesen ebenfalls mit einem Dreikantschaber wegschnitzen. Bei den WABO-Ablaufbühnen im Foto Vorher…. (Foto: Jürgen Eichardt) ist vieles gelötet, man erkennt die Lötstellen aber kaum. …und nachher, die WABO-Ablaufbahnen Mk3 der US-Navy im M 1:50. (Foto: Jürgen Eichardt)

Wenn schon gespachtelt werden muß: Besonders hart und daher gut schleifbar wird 2-K-Spachtel. Ich habe die besten Erfahrungen mit Presto-Feinspachtel (Auto-Reparaturspachtel) gemacht. Er härtet sehr schnell, weswegen man nie große Mengen davon verarbeiten kann. Auch Spachtel auf Nitro-Basis härtet sehr schnell. Große Flächen, wie z.B. die Rumpfaußenhaut, schleife ich zuerst mit recht groben Schmirgelleinen (Schleifriefen dürfen bei diesem Strakend-Schleifen noch sichtbar sein). Danach spritze ich die Fläche dünn mit Porenfüller oder Spitzspachtel, welcher dann mit immer feinerem Schmirgelleinen guter Qualität verglättet wird. Mehr über das Spachteln und Schleifen von Rumpfflächen lesen Sie bitte auch ausführlich in meinem Heft (1).

Ich spitze grundsätzlich nicht im Frühjahr und Sommer bei Pollen- und Samenflug, denn diese feinen Fremdkörper, die auch in der Zimmerluft der Werkstatt umherfliegen, setzen sich gern auf den frisch gespritzten Flächen ab und man kann sie kaum wieder ohne Schäden entfernen. Im Sommer kann man u.U. nach einem kräftigen Regenguß spritzen, wenn die Luft rein ist. Auch der allgegenwärtige Staub in der Werkstatt ist ein Feind guter Lackierungen. Daher nutze ich die Gelegenheit, um meine Werkstatt vor dem Spritzen wieder einmal gründlich aufzuräumen und naß (!) zu säubern, auch den Fußboden. Bevor ich die Modellteile spritze, werden sie mit einem feinen Pinsel und mit dem auf geringste (!) Saugleistung eingestellten Staubsauger abgefegt und damit von anhaftendem Staub, Haaren, Fusseln und Spänen befreit. Bei besonders filigranen Teilen oder Teilen, bei denen man vermutet, daß die Klebestellen nicht besonders gut haltbar sind, halte ich den Schlauch des Staubsaugers in reichlichem Abstand vom Bauteil. Ansonsten kann es passieren, daß sich etwas löst und blitzschnell im Staubsauger landet. Anhaftenden und lose auf der Fläche liegenden Staub kann der Staubsauger von den Flächen nicht lösen und entfernen. Erst wenn ich ihn mit dem Pinsel quasi aufwirble, wird er vom Luftstrom erfaßt und damit weggenommen.

Hatte man an einem Bauteil aus Messing mit Lötsäure gelötet, so ist es unbedingte Pflicht, das gesamte Teil noch vor dem Spritzen mit möglichst neuem, also mit Lötsäure wenig angereichertem Spiritus abzuwaschen, damit später die Säure unter dem Lack nicht ihre unheilvolle Arbeit beginnen kann. Zusammengelötete Hohlkörper aus Messingblech erhalten an später nicht sichtbarer Stelle Bohrungen, damit auch eine gründliche „Innenspülung“ stattfinden kann. Davon abgesehen ist es sinnvoll, die Modellteile vor dem Spritzen mit Waschbenzin abzuwaschen, damit sie vollkommen fettfrei (Schweißfinger) sind und danach werden sie nicht mehr mit den bloßen Fingern angefaßt (Stoffhandschuhe!). Ich kenne einen Modellbauer, welcher seine Messingbauteile vor dem Spritzen sandstrahlt. Auf dieser etwas angerauten Oberfläche haben die Lackierungen besonders guten Halt. Jedoch darf man den Druck des Standstrahls nicht unterschätzen.

Wärme ist für das Spritzen von Farbe gut. Die Werkstatt sollte daher nicht zu kühl sein. Ein Vertreter dieser Wärme-Spritzerei ging einst so weit, daß er sogar die Farbe und selbst die Spritzpistole angewärmt hat. Soweit gehe ich nicht, aber das zu spritzende Teil erwärme ich schon. Ich stelle meine (Messing-)Bauteile vor eine Heizlampe oder erwärme sie mit dem Föhn recht stark. Das kann man bei Bauteilen aus Polystyrol, einem Werkstoff der Fahrmodellbauer, und dem lebenden Material Holz natürlich nur eingeschränkt so machen. Weil man das Bauteil möglichst rundum „in einem Ritt“ spritzen will, soll es möglichst einen stabilen Befestigungsstift (-gewindebolzen) haben, mit dem es z.B. mit einer Klammer gehalten oder in eine Bohrung in einem Holzbrett oder in Schaumpolystyrol gesteckt werden kann. Diese Feuerlöschventile (M 1:50) wurden für das Spritzen mit den angedrehten Bodenstiften in ein Holzbrett gesteckt. (Foto: Jürgen Eichardt) Einige Male habe ich auch Teile an Fäden aufgehängt, um sie so rundum spritzen zu können. Kleine Teile einfach auf eine Fläche zu legen, um sie zu spritzen, geht nicht. Der Strahl der Spritzpistole entwickelt eine enorme Kraft und bläst alles weg. Mit doppelseitigem Klebeband kann man kleine Modellteile für das Spritzen gut auf ein Stück Sperrholz o.ä. befestigen.

Beim Spritzen sprüht man naturgemäß mehr oder weniger viel Farbe am Modellteil vorbei. Dieser Farbnebel setzt sich in der Werkstatt auf allen Flächen unschön ab. Ich habe mir deshalb eine „Spritzkabine“ in der Form geschaffen, daß ein großer Karton an einer Stirnseite eine Öffnung erhielt, die knapp so groß wie diese Stirnseite ist. Vor diese Öffnung halte das Modellteil beim Spritzen. Die überschüssige Farbe sprüht somit in den Karton hinein und verfängt sich weitgehend in diesem. Wichtige Teile der Werkstatt (Regale, Maschinen usw.) kann man während des Spritzens mit großen Folien verhängen. In der Regel spritze ich mit Alkydharz-Lacken. Ich lasse mir beim Farbhändler den richtigen Farbton nach der Farbkarte oder nach RAL mischen, soviel, daß die Menge sicher für das gesamte Modell ausreicht. Nach gründlichem Aufrühren hole ich mit einer Injektionsspritze die Farbe aus der Dose. So wird niemals der Deckelverschluß mit Farbe benetzt und man bekommt den Deckel immer wieder gut geöffnet. Vor allem kann so keine Farbe am Deckelrand aushärten, die beim nächsten Öffnen in die Dose fällt. Hat man die Vermutung, daß in der Farbe Fremdkörper oder ausgehärtete Farbbrocken sind, so soll man die Farbe unbedingt vor dem Spritzen filtern. Ich habe hier schon vom einfachen Stoff bis zum Kaffeefilter alles versucht. Es gibt auch spezielle Filtergazen. Wie auch immer, wir wollen unbedingt fremdkörperfreie Farbe in der Spritzpistole haben. Eine fest verschlossene Farbdose lagert man für längere Zeit mit dem Deckel nach unten. So kann keine Luft eindringen und der Inhalt bleibt wie er ist.

Vor dem Spritzen verdünne ich den Alkydharz-Lack 1:1 mit Waschbenzin (Testbenzin aus der Apotheke ist noch besser). Diese starke Verdünnung soll man mit einer winzigen Menge testen. Die Farbe hat nun beinahe die Konsistenz von Wasser und läßt sich so besonders gut versprühen. Bei dieser Variante kann man besonders große Bauteile nicht in einem kleinen Raum ohne Lüftung spritzen. Durch die Benzindämpfe besteht Explosionsgefahr! Sobald der Farbstrahl auf das stark erwärmte Modellteil trifft, verdunstet sehr schnell das Lösungsmittel Benzin. Noch bevor ich das Bauteil rundum gedreht habe, ist die Farbe auf der einen Seite bereits fast trocken. Ich spritze immer in zwei Durchgängen: Die erste Spritzung muß noch nicht voll deckend sein. Der Farbton soll im Grunde nur in etwa schon zu sehen sein aber – wichtiger! – die spiegelnden Messing-Flächen, die den realen Blick verfälschen, sollen verschwinden. Das ist auch bei Modellteilen, welche ganz oder teilweise aus dem besonders leichten und gut zu bearbeitenden Plexiglas gemacht sind, von Bedeutung. Nach diesem Vorspritzen habe ich nun Gelegenheit, noch einmal nach Fehlern am Bauteil zu suchen. Das können Fusseln, Fremdkörper, Haare, überschüssiges Lötzinn und Kleber, Kratzer in der Oberfläche, Ritze und Spalten, die ich noch mit Tröpfchen von Sekundenkleber schließen will, usw. sein. Erst wenn ich diese Fehler beseitigt habe, spritze ich ein zweites Mal, dann deckend. Es ist besser, in mehreren „Runden“ deckend zu spritzen, als daß man versucht, das sofort zu tun. Ist die erste hauchdünne Spritzschicht vorerst leicht angetrocknet, so löst das Lösungsmittel der zweiten Spritzschicht die erste wieder an, verbindet sich mit ihr und es kann so nie zum gefürchteten „Laufen von Nasen“ kommen. Das geschieht nur, wenn man zu ungeduldig spritzt. Das Ganze hat den treffenden Namen “Naß-in-Naß-Spritzen“.

Durch das starke Verdünnen der Farbe mit Benzin wird die Lackoberfläche meist sehr glanzlos. Selbst Hochglanzlack, so meine Erfahrung, ist nach dem Spritzen dann matt. Außerdem: Schiffsmodelle werden in der Regel mit seidenmatten Farben gespritzt. Wenn man die verschiedenen Hersteller-Marken oder auch die Farbtöne untereinander vergleicht, so reicht die Palette „seidenmatt“ oft von fast matt bis fast glänzend, es gibt also keinen einheitlichen „Seidenmatt-Grad“. Um dem auszuweichen, habe ich mir angewöhnt, als Abschluß einen seidenmatten, farblosen Klarlack aufzuspritzen. Dieser vereinheitlicht quasi den Seidenmatt-Grad für das gesamte Modell. Dinge, die hochglänzend sein sollen (hochglanzpoliertes Messing, Lampengläser, Fensterscheiben usw.) müssen dann jedoch erst nach diesem Klarlack-Spitzen montiert werden. Das muß man bei der Herstellungstechnologie beachten. Übrigens: Wenn seidenmatte oder hochglänzende Lackfarbe längere Zeit steht, setzt sich in der Regel oben der honigfarbene Lack ab. Wenn man diesen vor dem Verrühren abschöpft, kann man den Glanzgrad in Stufen verringern, so z.B. aus einem Hochglanz-Lack einen weniger bis gar nicht glänzenden Lack machen. Umgekehrt sollte es auch möglich sein, durch Zugabe von Klarlack (der gleichen Marke!) aus einem Mattlack (z.B. Vorstreichfarbe) einen mehr oder weniger glänzenden Lack zu machen. Vorstreichfarben haben übrigens einen höheren Anteil von Farbpigmenten, sie sollen ja decken. Dagegen haben Decklacke, die im Grunde nur eine glänzende Oberfläche erzeugen sollen, wesentlich weniger Farbpigmente. Latexfarben haben sehr viele Farbpigmente. Was spricht also dagegen, mit Latex vorzustreichen(-spritzen) und darauf Glanzlack als Deckschicht zu geben.

Soll ein Farbton besonders kräftig leuchten, so soll man hauchdünn weiß vorspritzen. Dieses Weiß-Spritzen verwende ich dann im Sinne des oben erwähnten Vorspritzens. Kein Mensch kann es mir erklären, doch weißer Lack wird leuchtkräftiger, wenn man ihm einen Schuß blau zusetzt. Und noch etwas möchte ich an der Stelle loswerden: Aus Schwarz-weiß-Fotos (diese haben nur Graustufen im Sinne unserer heutigen Digital-Fotografiererei und Scannerei) kann man auf keine Farbtöne schließen, alles andere ist nur Kaffeesatzlesen, selbst in scheinbar seriöser Literatur! Und auch Colorfotos zeigen aus vielerlei Gründen nie die tatsächlichen Farben. Es gibt nur eine sichere Farbbestimmung: eine RAL-Karte bei Tageslicht an das Original zu halten. Die exakten Farbtöne kann man nur Farbfotos, bei gutem Wetter aufgenommen, entnehmen. Beispiel: Detail am Lenkwaffenzerstörer MÖLDERS. Die CD mit 319 derartigen Fotos können Sie bei mir bestellen (cd038). Hier ist dieses Foto auf Bildschirmgröße stark verkleinert abgebildet! (Foto: Jürgen Eichardt) Deswegen sind Farbgebungen, die weit in die Vergangenheit reichen, bestenfalls Vermutungen. 

Recht oft kommt es vor, daß selbst der feinste Airbrush-Strahl, auch wegen unvermeidlicher Verwirbelungen, nicht alle Ecken des Bauteils erreicht. Hier soll man nicht versuchen, durch zu langes „Draufhalten“ deckend zu spritzen, denn an anderen Stellen haben wir dann mit Sicherheit ein Zuviel an Farbe. In diesen Bereichen färbe ich dann mit nur leicht verdünnter Farbe mit dem Tuschpinsel nach. Das mache ich, wenn die Spritzlackierung noch nicht ganz ausgetrocknet ist, damit diese und der Pinselauftrag noch miteinander „verlaufen“ können. Die modernen Lacke haben durchweg einen guten „Verlauf“, weswegen man auch einmal kleinere Flächen mit einem weichen Pinsel streichen kann. Beim Trocknen der Farbe verringern sich das Volumen und damit die Schichtdicke enorm, was letztendlich zur Glättung der Oberfläche führt und allgemein als Verlauf bezeichnet wird. Ansonsten gilt die Regel: wo der Tuschpinsel nicht hinkommt, dahin reicht auch nicht der kritische Blick.

Nach dem Spritzen befülle ich mehrmals den kleinen Farbbehälter der Pistole mit Benzin und sprühe dieses ebenfalls in den Karton. Damit wird diese schon weitgehend gereinigt. Anschließend nimmt man die Pistole, soweit es geht, auseinander und reinigt die Einzelteile, besonders die Spritzdüse noch einmal von Hand, alles mit Benzin. Und ist einmal eine Spritzung, aus welchem Grund auch immer, nicht richtig gelungen, so fülle ich Benzin in die Pistole und besprühe die Fläche. Dadurch wird die noch nicht ausgehärtete Lackschicht wieder angelöst und kann leicht abgewaschen (Pinsel) werden.

Selbstverständlich ist es sinnvoll, größere Baugruppen in kleinere zu zerlegen, so auch zu bauen und getrennt zu spritzen, besonders dann, wenn man von Beginn an weiß, daß man mit der Spritzpistole nicht „in alle Ecken kommt“ und auch dann, wenn die Dinge verschiedenfarbig sein sollen. Für Modellbauer der Spitzenklasse, wie Hubert Wagner aus Bad Salzungen, hier seine STOLTERA (Fahrmodell), ist eine perfekte Lackierung nur das i-Tüpfelchen für gute Bauweise. (Foto: Jürgen Eichardt) Es ist besser, verschiedenfarbige Teile getrennt zu spritzen und danach erst zu montieren, als daß man mühselig „abklebt“. Oft ist dies wegen der Form der Teile auch kaum möglich. Das erfordert in vielen Fällen etwas mehr Bauaufwand, indem man die Teile z.B. steckbar macht, doch es lohnt, wegen der sauberen Farbgrenzen. In Sonderfällen kann man flüssigen Maskierfilm oder Maskierfolie verwenden. Ersteren kann man nach dem Überspritzen abrubbeln und die Folie abziehen, um die darunterliegende, abgedeckte Farbe freizulegen. Es gibt TESA-Film mit besonders geringer Klebekraft. Diesen kann man gut für das Abkleben von Farbkanten - Trennung zwischen Unter- und Überwasserschiff, Wasserpaß, Wechselgang usw. - verwenden. Beim Vor- und Achterschiff kann man diese recht breiten Filmstreifen nicht den vorgegebenen Rundungen anpassen. Deshalb muß man sich besonders schmale, nur 2 – 3 mm breite Streifen schneiden, welche sich der Rundung gemäß anformen lassen. Erst wenn diese exakt nach dem Anriß angebracht sind, kann man mit den normal breiten TESA-Streifen weiterkleben und damit das Abdeckzeitungspapier befestigen, welches alles das verdeckt, was nicht in der 2. Farbe gespritzt werden soll. Wichtig ist, daß man die TESA-Streifen und das Papier schon dann entfernt, wenn die Farbe noch recht feucht ist, damit die Farbkanten Gelegenheit haben, sich zu glätten. Wartet man mit dem Abziehen zu lange, so bleiben die Farbkanten unschön als „Stufen“ stehen. Wichtig wäre auch zu erwähnen, daß man bei einem mehrfarbigen Anstrich mit den helleren Farben beginnt und dann erst die dunkleren aufspritzt, nicht umgekehrt. Beim Modellrumpf würde man also zuerst in Höhe der KWL einen weißen Streifen (weißer Wasserpaß) spritzen, um dann erst nach oben das graue Überwasserschiff (bei einem Kampfschiff) „abzukleben“ und dann nach unten das rote oder grüne, oder wie auch immer, Unterwasserschiff. Für das Abkleben der drei Zahlen 823 wurden diese in der richtigen Dimension und Form ebenfalls mehrfach größer gezeichnet. Nach dieser Vorlage konnten sie bei einem Betrieb für Werbeschriften als Klebefolien mit einem Schneidplotter ausgeschnitten werden. Die schwarzen Schlagschatten habe ich nach dem Grau-Spritzen mit einem Tuschefüller angezeichnet. (Foto: Jürgen Eichardt)

Es muß auch nicht alles gespritzt werden. Farbflächen z.B. an einem historischen Segelschiffsmodell, bei dessen Original die dicke Farbe mit dem Pinsel grob aufgetüncht wurde, können auch mit dem Tuschpinsel gestrichen werden. Farbgrenzen habe ich auch bereits mit dem Pinsel gemacht. Die Unterwasser-Kupferung bei meiner 1:50-Kriegsbrigg ist mit TESA-Film-Streifen aufgeklebt und danach mit dem Pinsel mit Kupferfarbe gestrichen, werftneu, denn nach kurzer (See-)Zeit dürften diese Platten nicht mehr so metallblank aussehen. (Foto: Jürgen Eichardt) Dazu hatte ich in die erste Farbschicht mit einer nicht zu spitzen Reißnadel eine feine Rille eingeritzt – mehr eingedrückt - und in dieser Rille ließ ich stets ein paar Haare des Tuschpinsels gleiten. Es hilft, wenn man dabei für das deutliche Sehen eine Kopflupe benutzt.

Holzflächen, die am Modell als „Holz“ erkennbar sein müssen, modelliere ich selbstverständlich aus Holz, vorzugsweise Birnbaum-Holz wegen der feinen Maserung, Hier wurde das Deck aus gesägten (!)(3 x 2 mm) Birnbaum-Leisten echt „gebaut“, mit normalem Weißleim geklebt und danach in der im Text beschriebenen Weise die Kalfater-Linien mit Tusche aufgezeichnet. Sämtliches Holz ist Birnbaum, einmal mit Nitro-Mattine gestrichen. (Foto: Jürgen Eichardt) Fast alle (Ms-)Metallteile an diesen Bootskanonen im M 1:12,5 wurden brüniert. Nur die Rohre und die Radreifen habe ich gespritzt. (Foto: Jürgen Eichardt) oder auch Europäische und Amerikanische Linde, Alaskazeder oder fast weiße Erle. Die beim Original-Schiffs- und Bootsbau oft verwendeten Holzarten Eiche und Mahagoni sind wegen der zu groben Maserung für den Modellnachbau völlig ungeeignet. Besser ist es, wenn man sehr feinmaseriges, fast weißes anders Holz verwendet und dieses auf Eiche oder Mahagoni beizt „Trabacolo“ mit verschiedenfarbig gebeizten Hölzern im M 1:20 vom französischen Modellbauer A. Birolini. Kein Modellbauer der Spitzenklasse würde auf die Idee kommen, Eiche oder Mahagoni für den Modellbau zu verwenden. (Foto: Jürgen Eichardt)   1:24-Modell einer Armee-Chaloupe. Der französische Modellbauer hat alle Metallteile am Boot, welche eigentlich aus Eisen und Stahl sind, aus Messing gebaut und auf Hochglanz poliert. Das kann man für ein Prunk-Modell so machen. (Foto: Jürgen Eichardt) und danach mit Nitro-Mattine (oder anderer Einlaßgrund) gegen Schmutzfinger unempfindlich macht. Dieser Anstrich gibt den sorgfältig geschliffenen Holzflächen einen schönen, seidenmatten Glanz. Dabei dunkelt das Holz meist noch etwas nach. Meines Wissens darf heute Nitrolack an privat nicht mehr verkauft werden. Es dürfte auch schwierig sein, noch ältere Bestände von Nitro-Mattine zu bekommen. Ich stelle mir vor, daß man sich eine Art Nitro-Mattine aus farblosem Nitro-Lack und einem entsprechenden Zusatz von Nitro-Verdünnung selbst herstellen kann – mal experimentieren! Es geht ja darum, daß diese Farbe dünner als der normale Lack wird und folglich tiefer in das Holz eindringen kann…

Noch einmal, weil es zu diesem Thema gehört und weil ich schon die abenteuerlichsten „Methoden“ gelesen habe: Darstellung der Kalfaterung an Modelldecks in light-Version, besonders bei kleinen Maßstäben:

-      Das etwas dickere (Unter-)Deck wird mit Birnbaum-Sperrholz oder –furnier beklebt, welches fast keine Musterung hat, die Faserrichtung liegt dabei in Schiffs-Längsrichtung,

-      Diese Fläche wird in Faserrichtung mit der scharfen Kante einer Glas(bruch)scherbe abgezogen oder fein geschliffen,

-      mit Nitro-Mattine satt gestrichen,

-      noch einmal geschliffen,

-      der Staub wird abgesaugt, nun die Fläche nicht mehr mit den Fingern berühren,

-      nun kann man mit einem Tuschefüller (die üblichen Strichbreiten sind 0,13 - 0,18 – 0,24 – 0,35 – 0,5 – 0,7 usw. mm) mit schwarzer Ausziehtusche und mit einem Lineal, welches an der Unterseite kleine, flache „Abstands-Böcke“ hat, die Linien der Kalfaterung aufzeichnen.

Die Tusche benötigt auf dieser Holz-Lackfläche besonders lange Zeit für das Trocknen. Deshalb muß man besonders sorgfältig arbeiten, damit man die eben gezogenen Linien nicht verwischt. Danach wird seidenmatter Klarlack aufgespritzt, um die Linien dauerhaft wischfest zu machen (siehe Foto oben). Wie die Fischungen und die Leibhölzer richtig aussehen müssen, lesen und sehen Sie in meinem Heft (1) Seite 121/122.

Demgegenüber kann ich den Rat geben, z.B. Rundhölzer von Segelschiffen, die im Original einen gelben, weißen oder auch schwarzen Anstrich erhielten, beim Modellnachbau wegen der besseren Herstellungsmöglichkeiten aus Messing zu drehen (erklärt in (2) Seite 68 bis 71) und dann entsprechend zu spritzen (fünf Fotos weiter oben der schwarze Großbaum). Messing läßt sich übrigens mit Brünierungsbeizen auch schwarz brünieren (siehe drei Fotos weiter oben) und Modellteile aus Stahl (z.B. Teile von Maschinenwaffen) kann man wie beim Original in Öl schwarz brünieren (schwarz oxydieren oder auch bläuen genannt)( www.waffenpflege-shop.de ). Das kleine Kanonenrohr wird dazu z.B. auf Rotglut gebracht und in einen Ölbehälter gesteckt. Und noch etwas möchte ich zum Thema Farbgebung sagen: Ein richtig gutes Modell gehört in eine möglichst staubdichte Vitrine. Will man ein offen stehendes Modell durch Abpinseln stets sauber halten, würde man am Modell mit der Zeit zu viel zerstören. Außerdem ist ein Vitrinen-Modell auf Messen und Ausstellungen sicherer vor Kinder- und (!) Erwachsenenhänden aufgestellt. Und jeder sorgfältige Fahrmodellbauer entfernt sofort, nachdem er sein Modell aus dem Wasser genommen hat, peinlichst genau jeden Wassertropfen an ihm. So können sich keine Kalkflecken am Modell bilden. Ich hatte bei meinen Fahreinsätzen stets eine Rolle Küchen-Papiertücher dabei. Es ist schon erschreckend zu sehen, daß selbst auf Ausstellungen einige Modelle noch den Dreck vom letzten Modellteich an sich haben…

Jürgen Eichardt

Weiterführende Literatur:

(1)   Jürgen Eichardt, „Rumpfbaupraxis“, VTH, 2000, VTH-Best.-Nr. 312-0028, € 14,-

(2)   Jürgen Eichardt, „Drehen für Modellbauer“ Band 2, 2001, VTH-Best.-Nr. 310-2114, € 17,-

(3)   Jürgen Eichardt, „Modellbautechniken“, VTH, 2003, VTH-Best.-Nr. 312-0035, € 19,-

Die feinen, selbstgemachten Ketten, Schäkel und Spannschrauben, welche die Grundminen am Oberdeck halten, wurden für das Spritzen mit Silberlack an Fäden in einen Rahmen gespannt. Die Feuerlösch-Spritze am Niedergang wurde aus mehreren Teilen hergestellt, welche einzeln gespritzt wurden. (Foto: Jürgen Eichardt)

1:100-Modell Schlachtschiff ROMA vom italienischen Großmeister Giancarlo Barbieri aus Bologna. Die Kranwinde in der Bildmitte hat noch keine Farbe. (Foto: Jürgen Eichardt)

Das Heck der 1:48-Fregatte USS BRADLEY von Thomas Matzer ist schon fertig. Durch die geschickte Farbgebung (Alterungs- und Gebrauchsspuren) glaubt man das Original zu sehen. (Foto: Thomas Matzer)

Diese Detail-Aufnahme von meinem 1:25-TS-Boots-Modell HANS COPPI zeigt, daß auch an einem Kampfschiff nicht alles grau in grau ist. Von geringem Vorteil ist bei diesem Boot, daß Deck und Aufbauten den gleichen Grauton hatten. (Foto: Jürgen Eichardt)

1:30-Modell des Patrouillenbootes ROELA vom Modellbauer A. Stepanov (Estland). 373 derartige Fotos vom C-Weltwettbewerb 2010 in Dortmund finden Sie auf meiner Foto-CD (cd040). (Foto: Jürgen Eichardt)

Marco Fin (Italien) hat sein 1:72-Modell des Tauchbootes vom Typ VII C als szenische Darstellung meisterhaft „gealtert“. (Foto: Jürgen Eichardt)

Der achtere Kamin für meinen FLETCHER-Zerstörer steht auf dem schrägen Grundbrett (Deckssprung!), auf dem er auch gespritzt wurde. Es fehlt noch die Leiter zum Scheinwerferpodest. (Foto: Jürgen Eichardt)

Die fertig lackierten Einzelteile warten in einer Vitrine auf die Endmontage. Sie stehen dabei auf Grundbrettern, die reichlich breiter als die Stücke selbst sind. (Foto: Jürgen Eichardt)

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