...so ist jährlich gegen Ende des Sommers ein besonderes Spektakel zu beobachten. Tausende paarungsbereite Männer und Frauen finden sich in zeltartigen Behausungen zusammen und nehmen in ritueller Weise eine gelblich schäumende Flüssigkeit zu sich. Stämmige Weibchen tragen die kindskopfgroßen Glaskrüge gegorenen Hefesafts an die Tische und stellen die Gläser während des Weges, offenbar um Kraft zu sparen, auf ihren Brüsten ab. Darauf folgt eine traditionelle Übergabe von Metallstücken oder eigenartig bedruckten Papierzetteln - man kann davon ausgehen, daß es sich hierbei um eine Form der Ehrerbietung den Krug-Brust-Virtuosinnen gegenüber handelt. Die Gefäße werden nun regelmäßig gen Himmel gehoben, was auf eine Art Erntedank an die Götter schließen läßt, und anschließend gegeneinander gestoßen. Das Aneinanderstoßen scheint eine ritualisierte Aggression zu sein, vergleichbar mit den Scheingefechten der Auerochsen (vgl. Kapitel 3). Das Stoßen der anderen Gläser wird begleitet von einem Kampfausruf "Prost!" und kann auch als Aufforderung zum Glasstoßen verstanden werden. Diese Aufforderung wird regelmäßig von einer Art Ältestenrat wiederholt, der reich geschmückt auf einem Podest in goldglänzende Metallröhren bläst. Häufig werden die Anwesenden vom Ältestenrat zu einem "Prosit der Gemütlichkeit" aufgerufen. "Gemütlichkeit" bedeutet in diesen Fall der Aufenthalt in einem verrauchten Zelt, während man grölt und Rauschdrogen zu sich nimmt. Ungefähr jeder Zehnte  der Anwesenden nimmt über die Nase ein dunkelbraunes Pulver vom Handrücken auf, um daraufhin mißvergnügt das Gesicht zu verziehen und ein Großteil der Substanz mit Nasensekret vermischt in ein Taschentuch zu schneuzen. Dazu werden gebratene Hennen zerrissen und unmittelbar ohne größere Überlegung in den Mund geschoben. Die Eßkultur läßt uns auf ein sehr geringes Zivilisationsniveau schließen. Während musikalischer Vorträge werden die Oberkörper nebeneinandersitzender Artgenossen rhythmisch nach links und rechts bewegt. Dieser typisierte Balztanz dient offenbar der Kontaktaufnahme zwischen den Geschlechtern. Diese legen eine hohe Paarungsbereitschaft an den Tag, wie wir sie bislang nur bei nymphoman-polygamen Naturvölkern auf den Hybriden kennenlernen durften. Hinter den Zelt-Tempeln kann man zu später Stunde beobachten, wie ein Teil der Gemeinschaft den Hefesaft an die Mutter Erde zurückgibt, was uns auf ein demütiges und gottesfürchtiges Volk schließen läßt. Das erklärt auch einige neben den Zelten befindliche Bauten, in denen körperliches Leid erduldet wird, vermutlich um die Götter friedvoll zu stimmen. Aus vielen dieser Foltergeschäfte dringen angsterfüllte Schreie. Als besonders qualvoll muß die Teilnahme an einer Fahrt durch einen mehrstöckigen Bau gelten, der mit kleinen Wägelchen befahren wird. Menschliche Skelette, teilweise nur noch die hohlen Fratzen, baumeln dort ausgestellt von der Decke. Ich konnte beobachten, daß sich viele der Teilnehmer vor der Fahrt eine Art naives Herzsymbol um den Hals hängten, das sie wohl schützen sollte. In einigen Häuschen schießen besonders erregte Teilnehmer des Spektakels mit stilisierten Schußwaffen auf kleine Keramikröhrchen, in denen nachgebildete Pflanzen, meistens Blumen, stecken. Manchmal zerbricht der Schalldruck diese Röhrchen und die Blumen fallen zu Boden. Um ihren Göttern näher zu kommen, lassen sich viele der Hefesaft-Trinker in kleinen Körben an einer großen Radmaschine langsam im Kreis nach oben tragen. Ob die Maschinen, welche die Trinker waagerecht im Kreis drehen, dem gleichen Zweck dienen, konnte ich nicht feststellen. Erwähnenswert ist auch eine Zone mit der Bezeichnung "Auto-Skooter", ein abgegrenzter Bereich, in dem halb ausgewachsene Männchen in kleinen Fahrzeugen umherfahren. Trotz eingehender Betrachtung konnte ich keine Systematik in den Bewegungen erkennen, es scheint eine Art Paarungstanz zu sein, der allerdings noch wesentlich komplexer ist als der Schwänzeltanz der Honigbienen. Ihn können offenbar nur die halbwüchsigen Weibchen richtig deuten, die den Tanz mit grell bemalten Gesichtern beobachten...

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