Rohrgarnierungen

Schanzkleider und ähnliche Blechwände haben bei Schiffen oft an den Kanten sog. Rohrgarnierungen. Das sind beim Original in der Regel mittig angeschweißte Rohre. An scharfen Blechkanten ohne diese Rohrgarnierungen würden Seile und Taue beim täglichen See- und Hafenbetrieb schamfielen (beschädigt werden). Beim Modellbau, besonders in Maßstäben ab 1:75 und größer, sollte man diese Rohrgarnierungen für eine gute Detaillierung unbedingt mit darstellen. Es genügt, wenn man Drähte entsprechenden Durchmessers an die Blechkanten lötet, es müssen keine Rohre sein. Schwierig ist es, diese Drähte ganz ohne Hilfen mittig anzulöten. Das scheidet bei mir völlig aus, weil ich auch hier nach hoher, stets sichtbarer Qualität strebe. Ich möchte hier zwei Varianten vorstellen, wie ich bei meinem Modellbau eines WWII-Zerstörers im Maßstab 1:50 Rohrgarnierungen realisiere. Je nach dem Fall der Anwendung entscheide ich mich für diese oder jene Methode.

Der Fall 1: Unmittelbar vor den beiden Lagern für die Nebelflaschen am Heck stehen zwei Schutzwände auf dem Deck. Sie sind im Original etwa kniehoch, U-förmig gebogen und an den Seiten parabelförmig gerundet. Die Kontur dieser Bleche habe ich zuerst auf das 0,2 mm dicke Messingblech aufgerissen. Dabei wurde die Rundung erst bei einem Blech angerissen, ausgeschnitten und strakend befeilt (1 in Foto 1) . (Überstreichen mit der Bahn des Hammers auf einer ebenen Unterlage macht die 0,2 mm dicken Blechkanten vollkommen eben.)

(0,2-mm-Ms-Blech kann man gut mit einer normalen Papierschere schneiden. Damit das dünne Blech nach dem Ausschneiden nicht hoffnungslos verbogen ist, schneide ich die Form rundum an den Rändern in Gegen-Uhrzeigerrichtung zuerst mit etwa 2 mm Aufmaß aus, bei der „zweiten Runde“ mit 1 mm Aufmaß und erst bei der dritten Runde schneide ich „auf den Strich“ (Kopflupe!). Durch diese Arbeitsweise überträgt sich die Verformung fast vollständig auf den abgeschnittenen Blechstreifen und das eigentliche Bauteil bleibt fast eben! Geringe Kantenverformungen, die gelegentlich doch auftreten, kann man dadurch beseitigen, daß man das Blech auf eine vollkommen ebene Metallplatte legt und die Blechkante von beiden Seiten (!) kräftig mit der Bahn eines Hammers überstreicht.)

Die gerundete Kante wurde dann benutzt, um diese Kontur mit einer spitzen Reißnadel zweimal auf das zweite Blech zu übertragen (2). Nachdem diese Kanten ebenfalls beschnitten und befeilt waren, konnte das zweite Blech wiederum als Anreißschablone für das andere Ende am ersten Blech benutzt werden. Somit waren alle vier Bögen vollkommen gleich (Foto 2) . (Mit einer längs angelegten Schlichtfeile kann man Blechkanten schnurgerade feilen. Das Teil wird dabei immer in der Hand gehalten, fast nie im Schraubstock eingespannt.) An einer Pertinax-Platte wurde eine Anlagekante angefräst, an diese eines der Bleche angelegt und die Kontur auf diese Hartgewebeplatte angerissen (Foto 3) . (Pertinax (noch besser Novotex) ist ein sehr geeignetes Material für Lötvorrichtungen, bedingt geht auch Alu.) Die Pertinax-Platte blieb danach eingespannt und nun wurde mit einem kleinen Fingerfräser der Raum außerhalb dieses Anrisses (a in Foto 4) (Die gefräste Kante muß nicht sauber aussehen, sie muß nur gering innerhalb des Anrisses liegen.) um einen bestimmten Betrag noch tiefer gefräst. Man fräst dabei „frei Hand“ so, daß der Anriß sicher mit weggefräst wird. Wichtig ist der „bestimmte Betrag“. Man rechnet dazu: Drahtstärke (der Rohrgarnierung) – 0,2 (Blechstärke) : 2. Im konkreten Fall: 0,8 – 0,2 : 2 = 0,3. Die „Tieferfräsung“ muß also 0,3 mm betragen, soll die Garnierung exakt mittig auf der Blechkante sitzen. Anschließend habe ich auch neben (b in Foto 5) (Die zahlreichen Bohrungen stammen von anderen Arbeiten.) und den Raum hinter der Anlagekante (c) auf diese Tiefe gebracht, sodaß von der ursprünglichen Anlagekante nur noch kleine Stege (d) blieben.

(Ein anders Beispiel: Eine Rohrgarnierung im M 1:15. Die Blechstärke wäre hier vielleicht 0,4 mm und die Garnierung soll einen Durchmesser von 2 mm haben (das sind realistische 30 mm beim Original). Hier würde man rechnen: 2 - 0,4 = 1,6 : 2 = 0,8. Die Tieferfräsung wäre hier 0,8 mm.)

Das Blech wurde nun mit einfachen Klemmteilen festgeklemmt und so konnte der streckgerichtete 0,8-mm-Kupferdraht (es läßt sich auch ausgeglühter Messingdraht verwenden) an einer Seite angeheftet werden (a in Foto 6) . (Der Drahtanfang ist geheftet, danach kann gebogen werden.) Vorsichtig wurde er um das gesamte Blechteil herumgebogen und in etwa 10-mm-Abständen mit relativ wenig Lötzinn weiter angeheftet (Foto 7) . (Auch hier müssen die Druckstücke nicht pieksauber aussehen, nur der Zweck muß bei solch einfachen Vorrichtungen erfüllt werden.) Der Draht überragt danach an beiden Enden das Blech. Danach läßt man das Zinn unter Zugabe von Lötwasser „verlaufen“. Damit sich die Drahtenden dabei nicht vom Blech lösen, werden sie festgehalten (Foto 8) . (In der Nahaufnahme sieht die Lötung noch schlimm aus, die Kamera lügt nicht!) Das überschüssige Zinn wird zuerst grob mit einem Dreikantschaber (Zinn ist sehr weich) weggeschnitzt (das Blech und den Draht dabei nicht verletzen!), der Rest mit einer rotierenden Drahtbüste weggeputzt. Die kleine Drahtbürste „kommt nicht an das Messingblech heran“ und nimmt tatsächlich nur das Zinn weg! Dazu ist nur etwas Geduld nötig, denn man kann das Verschwinden des überschüssigen Zinns unter der Kopflupe sogar sehen. Foto 9 (Nur sauber verputzte Lötteile sind gute Lötteile.) zeigt das Ergebnis der sauberen Arbeit. In einer Biegevorrichtung (Foto 10) (Die beiden Kanten für diesen Biegekörper habe ich mit einem Abrundfräser gerundet. Wie will man die Rundungen anders sauber und genau biegen?) habe ich die Blechteile mit den angelöteten Rohrgarnierungen dann in Form gebogen. Außerdem erhielten sie in einer Lötvorrichtung (eine Pertinax-Platte) noch mittig je einen Stift (Foto 11) . (Das Ergebnis kann man ansehen.) Mit einer einfachen Bohrschablone aus 0,4-mm-Ms-Blech (Foto 12) (Die drei Bohrungen ganz rechts werden für unsere Blechschilder benötigt.) konnten nun die Löcher zum Einkleben der je drei Stifte in das Deck (ab)gebohrt werden. Beim Foto 13 (Die Schilderung für den Bau der hier mit sichtbaren Nebelbehälter wäre ein Aufsatz für sich.) sind die Teile nur lose eingesteckt, denn das Deck und die Blechwände werden in unterschiedlichen Grautönen getrennt gespritzt und erst danach werden Letztere eingeklebt.

Die zweite Variante ist eine völlig andere. Hier werden zwei kleine Teile aus Pertinax gefertigt, ich nenne sie treffend „Reiter“, welche den Draht beim Festlöten exakt mittig auf der Blechkante halten (Foto 14) . (Bei komplizierten Garnierungen kann man nicht ein einzelnes Drahtstück verwenden.) Zur Herstellung der Reiter: Ich habe eine kleine, 0,2 mm breite Metallkreissäge. Das ist die Stärke der von mir für solche Zwecke favorisierten Bleche. Mit dieser säge ich in die Kante eines 2 bis 3 mm dicken Stücks Pertinax zwei etwa 4 bis 6 mm lange Schlitze. Die Messing-Blech-Auflage wird dabei mitgesägt (Foto 15) . (Die Säge ist auf einem selbstgedrehten Sägedorn gespannt.) In Flucht dieser kurzen Schlitze hatte ich dann mit dem kleinsten Zahnarzt-Kugelfräser und unter der Kopflupe als Zentrierungen winzige Senkungen in das Pertinax gebohrt. Wichtig ist, daß diese Senkungen tatsächlich exakt in Flucht liegen, denn davon hängt ab, daß später die Rohrgarnierung tatsächlich mittig auf der Blechkante sitzt (Foto 16) . (So deutlich muß man die Sache unter einer Lupe sehen.) Nun konnte ich diese Senkungen Ø 0,4 vorbohren (Foto 17 rechts) (Grundvoraussetzung: Die Bohrungen liegen in Flucht des Schnitts.) und in der Stärke des Drahtes 0,8 mm fertigbohren (links). Falls die Bohrung gut in Flucht liegt, kann der Sägeschnitt anschließend vorsichtig bis in die Bohrung hinein fortgeführt werden. Die Drehmaschine blieb bis dahin für das Sägen eingerichtet. Beim Foto 18 (Die Schnittbreite muß der Blechdicke entsprechen!) ist das Pertinax-Stück auf eine 0,2-mm-Blechkante gesteckt. Im Foto 19 (Die Schnittlänge etwa 4 bis 6 mm.) sehen wir dann die zur Verwendung ausgesägten „Reiter“.

Die Arbeit mit den Reitern ist sehr einfach. Beide werden mit dem eingefügten (streckgerichteten) Draht auf die Blechkante gesteckt und in Abständen von etwa 10 mm wird der Draht wieder mit wenig Lötzinn und unter Verwendung von Lötsäure (immer Lötwasser aus dem Baumarkt verwenden, andere Flußmittel sind für einen guten Detail-Modellbau völlig ungeeignet!) vorerst nur geheftet. Dabei werden die Reiter mit dem Draht kräftig gegen das Blech gedrückt und man denkt immer daran, daß man die Reiter stets nur in einer Richtung weiterschieben kann (im Foto 20 (Beide Reiter können hier nur nach links entfernt werden. Über die Heftungen hinweg geht es nicht mehr!) geschah dies von rechts nach links). Die Heftungen werden noch einmal mit Lötwasser eingestrichen und dann kann man auch hier das Lötzinn durch „Antippen“ mit einem sehr heizkräftigen Lötkolben mit möglichst massiver Kupferspitze verlaufen lassen (Foto 21) . (Beim „Verlaufenlassen“ sichere ich die Enden noch mit den Reitern.)

(Durch Herausziehen oder Weiter-Einstecken des Kupferkörpers in den Heizkörper des Kolbens „regelt“ man die richtige Temperatur an der Kolbenspitze so, daß das Zinn am Kolben keinesfalls schwarz verbrennt. Ein Lötkolben mit toller elektronischer Temperaturregelung ist daher unnützer Unsinn.)

Wenn man die Heftungen nicht schon zu „massiv“ gemacht hat, hat man danach nur noch wenig überschüssiges Lötzinn mit der rotierenden Drahtbüste wegzuputzen. Danach sollte die aufsitzende Rohrgarnierung so sauber wie im Foto 22 (Stets erst nach dem Anlöten werden die überstehenden Enden mit einem Seitenschneider abgeschnitten.) aussehen.

Für gerundete Relingstücke wird der Draht für die Garnierung um einen Rundungskörper vorgebogen. Dieses Drehteil drehe ich in kleinen Stufen solange kleiner, bis der Draht nach dem „Auffedern“ den gewünschten Durchmesser hat (Foto 23) . (Ein Durchmesser von 62 mm war gefragt. Der Draht wurde um den helleren Absatz in der Mitte des Messingstücks gebogen.) Somit kommt keine Spannung auf die Lötstellen und der Draht wird sich beim „Verlaufenlassen“ nicht von der Blechkante entfernen (Fotos 14, 24 (Das „Blech“ ist hier 0,2 mm dickes, doppelseitiges Leiterplatten-Material.) und 25 ). (Auch hier wurde die Überlänge des Drahtrings erst nach dem Anlöten abgeschnitten.) Schon dieses Beispiel zeigt, daß Modellbau (ich rede nicht vom Basteln) ohne eine Drehmaschine nicht möglich ist. Die Rohrgarnierung für die Waffenwanne im Bild 26 (So sauber dürfen Rohrgarnierungen aussehen. Hier kann man den gesamten Bau dieses Modelldetails verfolgen.) wurde aus drei einzelnen Stücken angefertigt. Wenn man mit den Reitern sauber arbeitet, kann man die Stoßstellen der drei Stücke vor allem später nach der Lackierung nicht erkennen. Foto 27 (Das gerade Stück ist bereits verputzt. Das gerundete Stück wird an der Stoßstelle beginnend angelötet.) zeigt den sauber gearbeiteten Übergang an einer Ecke eines Relingstücks. Die nahezu fertige, noch unlackierte Waffenwanne mit den drei OERLIKON´s und den zugehörigen Munitionskästen nach Foto 26 zeigen die Bilder 28 (Die zahlreichen 0,5-mm-Bohrungen in die Bodenplatten wurden per Koordinatenbohren gebohrt (Bohrbild nach 10:1-Zeichnung). und 29 (Drei der sieben 20-mm-OERLIKON´s für das 1:50-Zerstörer-Modell.).

Jürgen Eichardt

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