Das menschliche Auge erkennt sehr gut, wenn etwas nicht gerade steht. Jeder Lichtmast, jeder Kirchturm, der nur leicht schräg steht, „sticht sofort ins Auge“. Bei Schiffen, so auch bei den Schiffsmodellen, sollten zahlreiche Bauteile ebenfalls senkrecht stehen, senkrecht zur KWL (Konstruktions-Wasserlinie): Lüfter, Lademasten, Sockel von Scheinwerfern, in der Regel die Relingstützen usw. Diese Teile herzustellen, bereitet den Modellbauern, soweit sie gute Baupläne davon haben, weniger Probleme. Probleme macht oft der senkrechte Einbau dieser Teile, zumal die Decks, auf denen sie aufzustellen sind, in beiden Richtungen meistens schräg liegen, entsprechend der Balkenbucht und des Deckssprungs an der betreffenden Stelle.
Vor vielen Jahren schon äußerte
mein geschätzter Hobbyfreund Hubert Wagner den Gedanken: Man müßte eine
Ständerbohrmaschine mit großer „Ausladung“ haben, mit der man an jeder Stelle
des Decks genau senkrechte Löcher bohren kann, so würden schon alle
Relingstützen schön senkrecht stehen. Bis vor Kurzem geisterte dieser
Hubert-Spruch in meinem Kopf herum, bis ich die Anregung nun in die Tat
umgesetzt habe. Mit meinem 1:50-Zerstörer-Modell USS CASSIN YOUNG komme ich der
Endmontage nun ständig näher. Immer öfter muß ich bestimmte Bauteile an dem
Modell senkrecht an- oder aufbringen/ankleben/eingießen. Eine Hilfsvorrichtung
muß her, damit ich nicht nur auf mein „Augenmaß“, welches schonmal irren kann,
angewiesen bin. Grundvoraussetzung für den, nennen wir ihn Helling-Bohrständer,
ist, daß der Modellrumpf selbst richtig gerade auf der Helling steht. Die
Helling ist bei mir eine 19 mm dicke Spanplatte, die wegen der Größe des Modells
(Länge über alles 2,30 m), ausgerichtet mit der Wasserwaage, diagonal in meiner
Werkstatt steht (Foto 1)
.
(alle kleinen Fotos durch Anklicken vergrößern)
(Die Helling-Platte wurde mit der Wasserwaage in beiden
Richtungen waagerecht ausgerichtet.) In meinem Heft
(1) habe ich auf den
Seiten 109 bis 111 beschrieben, wie man den Modellrumpf auf zwei mit Gießharz in
die Rumpfschale eingegossenen Ständern aufstellt, damit er in beiden Richtungen
waagerecht steht.
Hat man nur gelegentlich
senkrechte Bohrungen in einen Modellrumpf zu bohren, genügt schon eine an den
Spannhals der Bohrmaschine geklemmte „Plattform“ mit einer angeschraubten
Wasserwaage, wie sie im Foto 2
(Der Plexiglas-Klotz muß genau winklig gefräst werden. Auch die
gefrästen V-Nuten liegen gut parallel.) (rechts, Baumarkt) zu sehen ist.
Somit kann man die Bohrmaschine mit einigem Geschick senkrecht halten. Im
gleichen Foto sehen wir links eine einfache Vorrichtung (aus einem Stück
Plexiglas gefräst), welche ich ebenfalls zum Ausrichten von senkrechten Teilen
(Masten usw.) und waagerechten Flächen (Plattformen, Decks…) benutze.
Als Grundlage für den
Helling-Bohrständer verwende ich den von mir konstruierten und gebauten
Bohrständer (Foto 3) (Die
Vorrichtung ist an der Säule höhenverstellbar. Als „Antrieb“ dient ein
Handhebel.) für einen Bohrschleifer. Letzterer hat einen nur mickrigen
Spannhals, den man gerade so zum sicheren und gerichteten Einspannen verwenden
kann. Die Bauanleitung für den Bohrständer mit Schwalbenschwanz-Führung,
verstellbarer Bohrtiefenskala und Bohrtiefenanschlag kann man bei mir unter
Best.-Nr. mz009 erwerben. Beide Säulen (Foto 4)
(Erst nach dem Einrichten der Bohrungsmitte werden die C-Klemmen
festgezogen.) haben Durchmesser von 20 mm und sind so lang, daß man z.B.
auch in höher liegende Decks bohren kann. Den genannten Durchmesser verwende ich
auch sinnvoll für die wesentlich längere Säule (5) für den neuen Ständer. Die
Säulen können durchaus auch dickwandige Rohre sein. Die Grundplatte (1) ist aus
ebenem 8-mm-Alu-Blech gemacht. Zwei C-Klemmen (2) halten sie am Hellingbrett
fest. In der Mitte der Platte ist ein Flansch (3) angeschraubt. Sehr wichtig bei
diesem ist, daß die 20-mm-Bohrung und die untere Planfläche in einer Einspannung
gedreht werden, damit die Säule auch wirklich senkrecht steht. Das obere Ende
dieses Flansches wird, wie üblich, vierfach geschlitzt und ein Klemmring (4) mit
vier Stiftschrauben klemmt die Säule (Foto 5)
.
(Der Bereich der Schlitzung hat einen recht dünnwandigen (1 mm)
Absatz.)
Für die „Ausladung“ sorgt ein in
der Höhe verstellbarer (Alu-)„Ausleger“ (Foto 6)
. (Die beiden 20-mm-Bohrungen
werden als Schiebesitz ausgespindelt, wer hat, verwendet eine
20-mm-Maschinenreibahle. Ich habe die beiden Bohrungen mit einem gut
rundlaufenden 20-mm-Fingerfräser eingestochen, nach einem stufenweisen
Vorbohren) Er muß ausreichend lang sein, damit mit der Bohrachse stets
mindestens die Mitte des Rumpfes erreicht wird. Und beide 20-mm-Bohrungen in
diesem Ausleger müssen ebenfalls in einer Einspannung gebohrt/ausgespindelt
werden. Nur so steht die Bohrachse so genau senkrecht wie auch die große Säule.
Erst nach dem Bohren werden die Schlitzungen eingesägt (entgraten nicht
vergessen) und die Bohrungen für die Klemmschrauben gebohrt. Beim Foto 7
(Die lange Rändelschraube ist der Bohrtiefenanschlag.)
wird beispielhaft eine kleine Bohrung am Heck des Modells gebohrt.
Beim Foto 8
(Der (Eigenbau-)Handgriff (g) am Anzugsrohr hat einen besonders
großen Durchmesser.) ist im Ausleger (e) ein (Stahl-)Pinolenlager (d)
geklemmt. Dieses hat eine geriebene 16-mm-Durchgangsbohrung und am oberen Ende
ebenfalls eine Vierfach-Schlitzung und einen Klemmring (b) mit einer
Klemmschraube (a). Dadurch kann eine dazu passend gedrehte (Messing-)Pinole (c)
sehr feinfühlig in der Höhe verstellt und anschließend so geklemmt werden. In
der Pinole können die Spannzangen der Uhrmacherdrehmaschine (h) verwendet
werden. Sie werden vom Anzugsrohr dieser Maschine (g) angezogen. Alternativ zu
den Spannzangen könnte man an der Pinole auch ein kleines Bohrfutter anbringen.
Im Bild ist ein kleines Modellteil (j) gespannt, welches irgendwo exakt
senkrecht anzukleben ist. Der Helling-Bohrständer hält dieses während der
Aushärtung des 2-K-Klebers senkrecht. Der Ausleger hat nun zwei praktischere
Knebelschrauben (f) mit langen Knebeln. Beim Foto 9
(Der Alu-Ring ist der Sockel für die 127-mm-Kanone in Position B,
dahinter zwei Waffenwannen für die 40-mm-Zwillinge. Der Detailbau an diesem
Deckshaus hat eben erst begonnen.) wurden z.B. alle Relingstützen im
rechten Bildteil mit dieser Vorrichtung an die ausragenden Träger geklebt. Diese
Träger müssen sein, damit das Geschütz mit dem hinteren Teil des Turms
herumschwenken kann.
Eine weitere Nutzanwendung zeigt das Foto 10
.
(Fingerfräser unter
6-mm-Nenndurchmesser haben in der Regel 6-mm-Schäfte.)
Hier ist in der 6-mm-Spannzange (e) ein Fingerfräser (f) gespannt, mit dem man
nach Lösen der Klemmschraube (g) von Hand z.B. flache Senkungen in ein Deck
fräsen kann. Alle gegenwärtigen Arbeiten an meinem Zerstörer-Modell können Sie
in interessanten Bildfolgen hier
verfolgen.
Jürgen Eichardt
(1) Jürgen Eichardt, „Rumpfbaupraxis“, VTH-Verlag, 2000, ISBN 3-88180-128-6, DM 28,-