Nietenreihen an einem Zerstörer-Rumpf
Hier hatte ich beschrieben, wie ich an meinem 1:50-Zerstörer-Modell USS CASSIN YOUNG die Plattengänge der Außenhaut und die aufgeschweißten Verstärkungsplatten auf den senkrechten Plattenstößen dargestellt habe. In diesem Beitrag will ich nun eine Möglichkeit schildern, wie man Nietenreihen an Rumpf und Aufbauten sehr vorbildgetreu machen kann. In meinem Buch/Heft „Modellbautechniken“ (VTH-Bestellnummer 312 0035, € 19,-) hatte ich im Kapitel „Jede Niete ein Gewinn“ bereits eine Möglichkeit beschrieben, wie man einzelne, sehr kleine, selbstgeprägte Nietenköpfe herstellen und an den Modellteilen sauber anbringen kann. Hier wird nun eine völlig andere Variante, welche sich an das sog. Gummikissen-Prägen der Industrie anlehnt und ebenfalls ohne die sonst übliche, unschöne Rändelrad-Rändelei auskommt, beschrieben.
Zuerst muß man möglichst zweifelsfrei und genau die Dimensionen der Nietenreihen z.B. aus Fotos ermitteln und in den Modellmaßstab umrechnen. Man sieht sich die Nietenköpfe an. Sind sie relativ hochgewölbt oder eher sehr flach? Aus dem bekannten Maß der Höhe eines Deckshauses und durch Abzählen der Nietenanzahl konnte ich den Abstand der Nieten (im Grunde die Abstände der Bohrungsmitten) errechnen. Gleich daran anschließend ermittelt man durch Messung oder auch durch Schätzung den Durchmesser der Nietenköpfe. Erhält man als Abstand der Nieten einen errechneten Wert mit etlichen Zahlen hinter dem Komma, so darf man getrost kräftig runden. Beträgt der Wert z.B. 1,835 mm, so darf man am Modell auf 2 mm aufrunden, ohne in den Bereich einer Überdimensionierung zu kommen. Besser ist es selbstverständlich, wenn man eher auf 1,8 mm abrundet. Dieses Maß „macht“ ja später ohnehin die Fräsmaschine beim Koordinaten-Bohren. Ähnlich ist es beim ermessenen Nietenkopf-Durchmesser.
Es gibt Nietungen zweireihig nebeneinander oder die zweite Reihe ist diagonal versetzt. Am Rumpf meines Zerstörers findet man senkrechte Platten als Nahtverstärkung für die Platten-Stöße mit sechsreihigen Nietungen, welche versetzt sind (Foto 1 ) (kleine Fotos anklicken). Insgesamt habe ich für Rumpf und Aufbauten sechs verschiedenartige Nietenreihen ermittelt. In jedem Fall habe ich vor Beginn der Fräsarbeit ein Stück der jeweiligen Reihe 10-fach größer gezeichnet, damit ich ein Gespür für die richtigen Dimensionen bekomme (Foto 2 ). In die Zeichnung werden die Abstände der Bohrungsmitten eingetragen; später auch mit kleinen Pfeilen die Skalenwerte in den entsprechenden Anfahrrichtungen beim Koordinaten-Bohren (1, Seite 73 bis 78) und die Nietenköpfe werden mit Kreis-Zeichenschablonen eingezeichnet. Rechts ist im Foto 2 dargestellt, wie ich die Bohrtiefe ermittelt habe. Die Nietenkopfvertiefungen in die plangefräste Messingplatte habe ich diesmal mit Vollhartmetall-Radiusfräsern eingestochen. Für meine diesbezüglichen Arbeiten habe ich mir drei derartige Fräser (Ø 0,8, Ø 1, Ø 1,2) zum Wert von fast 100,- € geleistet. Die billigere, nicht unbedingt schlechtere Alternative sind Kugel-Zahnarztfräser. Fragen Sie Ihren Zahnarzt nach gebrauchten Fräsern, welche er ohnehin wegwirft. Sie genügen für unsere Zwecke immer noch!
Ich wollte einen Nietenkopf-Durchmesser von 0,6 mm (30 mm Originalgröße) haben; mit einem 0,8-mm-Radiusfräser gestochen. Die 10:1-Zeichnung im Foto 2 ergab eine ungefähre Bohrtiefe von 1,3 mm. Viel genauer ermittelt man diese Tiefe (es waren dann 1,4 mm) mit einer 100:1-Zeichnung auf Millimeterpapier, wie ich es tatsächlich auch gemacht habe (Foto 3 ). In der selben Zeichnung wurde z.B. gleichzeitig die Bohrtiefe 1,5 mm für einen 0,8-mm-Kopf (40 mm beim Original) mit einem Ø-1,2-mm-Fräser zeichnerisch ermittelt. Selbstverständlich kann man das auch errechnen. Doch bevor ich die entsprechende Formel gefunden habe, habe ich schneller eine Zeichnung gemacht. Millimeterpapier liegt bei mir sowieso immer in Reichweite.
Ursprünglich hatte ich die Vorstellung, mit einer Prägeplatte (in Foto 4 ist sie in Arbeit) die Alu-Folienstreifen (Haushaltfolie) zu Nietenköpfen zu prägen und gleichzeitig mit den scharfen Kanten dieser Platte, diese auch außen auf Maß zu beschneiden. In der Vergangenheit habe ich derartiges schon gemacht. Es klappte nicht, weder beim ersten Versuch mit einer Gummiplatte aus Silikon-Gummi noch beim zweiten Versuch mit zwei Lagen Fahrradschlauch. Die nur 0,01 mm dicke Haushaltfolie wurde an den Plattenrändern nur abgebogen, nicht geschnitten. Schlimmer war jedoch, daß jeder Nietenkopf einen Riß bekam. Hier wäre später beim Ankleben der Folie an das Modell der Lack als Klebemittel ausgetreten. Also raus aus dem Kopf damit. Die Nietenköpfe hatte ich zuerst eingestochen, danach die Kanten dieser winzigen Vertiefungen mit einer kleinen rotierenden Drahtbürste noch auf der Fräsmaschine entgratet. Weil dabei logisch auch die Außenkanten stumpf werden, habe ich diese (vorher geplant!) noch einmal 0,3 mm nachgefräst.
Mit 0,05 mm dicker Alufolie ging es besser. Derartige Folie findet man als Abdeckung auf den Menü-Schalen von Fertiggerichten oder auf Joghurt-Bechern. Dabei muß mal jedoch vorsichtig sein, nicht alles, was nach Alufolie aussieht, ist auch welche. Die Nietenköpfe rissen nicht mehr ein. Gleichzeitig habe ich die Prägeplatten geändert. Sie haben nun eine jeweils nur 0,2 mm tiefe Nut (nach neuen Erfahrungen besser 0,3 mm), in deren Grund die Nietenköpfe eingestochen werden (Fotos 5 und 6 ). In diese Nut werden die Folienstreifen eingelegt. Sie können so beim Prägen nicht seitlich verrutschen. Mit einem Gummikissen von drei Lagen Fahrradschlauch werden sie in Form gedrückt. Die Folienstreifen sind exakt 0,1 mm schmaler als die Nut. So genau kann man die Streifen nicht mit der Papierschere von Hand schneiden. Ich verwende zum Schneiden von exakten Papier- und Folienstreifen stets meine “aufgemotzte“ Fotoschere. Wie das aussieht: (2, Seiten 9/10) und hier Foto 7 .
Übrigens: die für jeden Nietenkopf 100% gleiche Bohrtiefe erreicht man nicht, indem man jedes Mal den Höhensupport der Fräsmaschine auf- und nieder kurbelt. Besser man bohrt gegen einen fest eingestellten Tiefenanschlag der Bohrpinole. Praktisch sieht das so aus: Weit oben wird die Bohrpinole fest gegen den Anschlag gedrückt und so geklemmt. Dann fährt man den Höhensupport extrem (!) langsam unter Beobachtung mit einer Lupe gegen die Fläche der Prägeplatte, bis erste winzigste Spänchen entstehen (Nullung der Skala vom Höhensupport oder auch der digitalen Höhenmeß-Einrichtung). Von da aus fährt man den ermittelten Wert (in unserem Fall 1,4 oder 1,5 mm) tiefer und bohrt so den ersten Kopf. Nun wird die Pinolen-Klemmung gelöst und man kann in der Folge die anderen Vertiefungen mit immer der gleichen Tiefe gegen den Anschlag bohren (Fotos 4 und 5).
Die Abstände der Nietenköpf macht, wie schon gesagt, die Fräsmaschine oder genauer gesagt: der Skalenring des jeweiligen Supports. Hat man mehrere Reihen nebeneinander zu bohren, so zählt man nur bei der ersten Reihe, schreibt sich jeden Skalenwert auf (Foto 2 links). So muß man bei den weiteren Reihen nur noch diese Zahlenwerte „anfahren“. Kommen dazwischen diagonal versetzte Bohrungen, so wird die erste Bohrung „angefahren“ (die Zahlen 0,65 im Foto 2) und dann wieder „genullt“. So kann man wieder die gleiche Zahlenreihe verwenden. Es ist im Grunde sehr einfach, wenn man das Koordinaten-Bohren einmal verstanden hat. Man beginnt zum Einarbeiten mit einer einreihigen Nietenreihe. Hier kann man den Y-Support für das Fräsen der 0,2-Nut und für das Bohren der Nietkopf-Senkungen „stehen lassen“. Erst danach macht man zwei-, vier- oder auch die sechsreihigen Nietenbahnen.
Zur Not und für Versuche kann man das Gummikissen-Prägen zwischen den Backen eines Schraubstocks machen. Ich habe mir für die größeren Stückzahlen und eine bessere Arbeit eine Bank mit zwei Haltebohrungen gefräst (Foto 8 ganz links ), welche mit Spanneisen auf dem Fräsmaschinentisch gespannt wird. Auf diese Bank werden nacheinander die Prägeplatten (sieben Stück im Foto 8) befestigt. Die Prägeplatten haben unten je zwei M3-Sacklochbohrungen. Die Stufen an beiden Enden habe ich angefräst, damit ich hier die Alufolie-Streifen umlegen kann und sie auf diese Weise von selbst halten. Die breitere Platte rechts im Bild ist für die sechsreihigen Nietenstreifen vorgesehen.
Die Arbeitsweise für jede Prägeplatte ist immer gleich: Die obere Fläche wird überfräst. Danach wird die 0,2 mm tiefe Nut eingefräst. Schon das ist Koordinaten-Fräsen. Man muss immer die Kontrolle haben, wo genau die Mitte des Fräsers aus welcher Anfahrrichtung (immer die gleiche!) steht. Dann wird das „Bohrbild“ der Nietenköpfe gebohrt (Fotos 4 und 5) und danach mit der kleinen runden Drahtbürste entgratet. Foto 9 zeigt alle fertigen Prägeplatten.
Begonnen habe ich mit den sechsfachen Nietenreihen. In die Prägeplatte war dazu eine genau 7 mm breite Nut gefräst. Ich mußte dafür später 6,9 mm breite Folienstreifen schneiden. Im Foto 10 sind zwei derartige Streifen zu sehen. Beim oberen Streifen erkennt man, daß die Ränder oft etwas gerundet erscheinen. Ich habe die Streifen deshalb auf mehrere Lagen Papier gelegt und mit der geraden Kante eines Lineals bei mehrfachem Wenden glattgestrichen. Der Folienstreifen soll vor dem Einlegen in die Prägeplatte möglichst gerade und nicht verwunden sein. Wenn man für ein- oder zweireihige Nietenreihen besonders schmale Streifen schneidet, so werden diese in der Regel seitlich sogar verbogen. Man kann sie so krumm nicht in die Prägeplatten-Nut legen. Wieder mit der Kante des Lineals habe ich die „innere“ Kante des Streifens mit etwas mehr Druck überstrichen. Der Folien-Streifen liegt dabei am Rand der Papierunterlagen. Man kann hier sehr gefühlvoll den Alu-Streifen nahezu gerade „lenken“. Hier ist tatsächlich einmal Fingerspitzengefühl und Augenmaß gefordert.
Damit ich nicht nach jedem auf der Schere geschnittenen Streifen einen weiteren 1,2 mm breiten „Nullschnitt“ machen mußte, habe ich zur nächsten Nullmarkierung auf dem Zahnrad einen 0,2 mm breiten Schnitt gemacht. In der Nahaufnahme von Foto 11 ist dieser Abfall zu sehen, der tatsächlich 0,2 mm breit ist. So genau schneidet die Schere.
Im Foto 12 ist die Prägeplatte mit dem ersten eingelegten und angebogenen Folienstreifen auf dem Tisch der Fräsmaschine gespannt; darüber mit einem Spannzapfen die stabile Leiste des Gummikissens mit den angeschraubten drei Lagen Fahrradschlauch in der Spannzange des Zangenfutters. Man blockiert am besten die Frässpindel, damit sie sich nicht verdrehen kann (Netzstecker ziehen!). Mit dem Handrad des Höhensupports habe ich den Fräskopf kräftig nach unten gegen die Prägeplatte gedrückt. Nach einigen Teilen hat man das Gespür dafür, wie kräftig man dabei drücken muß. Das Eindrücken der zahlreichen Noppen in das Blech wirkt ähnlich wie Punktplanieren. Durch die Streckung und den „Fluß“ des Materials wird es vollkommen eben. Schon die Entnahme aus der Vorrichtung macht man mit einer Pinzette. Mit zwei Fingern halte ich dazu den eben geprägten Streifen und biege die umgeschlagenen Enden etwa gerade. Danach löst sich der Streifen beinahe von selbst aus der Nut. Im Foto 13 sehen wir das saubere Ergebnis der gesamten Vorbereitung. Die einzelnen Stücke müssen später mit einer scharfen Schere nur noch abgelängt werden. In ähnlicher Weise habe ich auch die anderen Nietenreihen mit dem Gummikissen gedrückt.
Die Herstellung der 0,3 mm dicken Platten, auf welche die sechsfachen Nietenstreifen am Rumpf geklebt werden, war relativ einfach. Im Teilgerät habe ich ein entsprechendes Profilstück gefräst (Foto 14 ), von dem mit einer exakt rundlaufenden Metallkreissäge (Ø 30, 0,3 dick, 60 Zähne, darf auch etwas größer sein) in 0,6-mm-Schritten 0,3-mm-Scheiben abgeschnitten wurden (Foto 15 ).
(Auch Messing kann man in diesen Dimensionen nicht in einem Schnitt absägen. Man sägt Span für Span immer etwas tiefer, auch Gleich- und Gegenlauffräsen sollte man dabei beachten. Meine Regime für das Absägen der 7 mm breiten Streifen will ich an der Stelle einmal schildern: Der erste Span im Gegenlauffräsen ist vom „Ankratzen“ nur 0,3 mm tief, damit die Säge ersteinmal eine "Spur" findet. Bei der „Rückfahrt“ im Gleichlauffräsen schon weitere 0,5 mm tiefer. Dann wieder Gegenlauffräsen 0,8 tiefer und zurück dann 1 mm tiefer. Die Säge steht nach diesen vier Schnitten nun schon 2,6 mm tief. Sie hat dabei im Sägespalt so viel Führung, daß man nun bei den folgenden Spänen 1,5 mm Tiefe oder beim Zurückfahren 1 mm Tiefe zustellen kann, mehr nicht. Und Messing kann trocken gesägt werden. Die Drehzahl darf relativ hoch sein, damit die feinen Späne weggeschleudert werden. Und wichtig: Die Frässpindel muss exakt senkrecht zur Zugrichtung des Supports stehen. Vgl. dazu hier die Abb. 7)
Foto 16 zeigt die nötige Anzahl der Platten und das Reststück. Die später oben liegenden Seiten der Platten habe ich mit einer Schlichtfeile längs geglättet und die Platten danach leicht entgratet.
In einer Simpel-Bohrvorrichtung erhielten die Platten je zwei Bohrungen in gleichen Abständen (Foto 17 ). Eine Platte wurde dazu verwendet, diesen Abstand auf die „freigelegte“ Modellrumpf-Außenhaut abzubohren (Foto 18 ). Mit einem Skalpell und mit einem Kugel-Zahnarztfräser habe ich die „Plattengänge“ aus TESA-Klebeband und die Spachtelschicht darunter auf jeweils einem Streifen etwas schmaler als die anzuklebenden Platten wieder entfernt. Die Platten erhielten in einer Lötvorrichtung je zwei kurze 1-mm-Kupferdraht-Stifte, wurden entsprechend der Plattengangbreite gekürzt, vorsichtig der Rumpfwölbung entsprechend vorgebogen. Die Abfräsung bis auf das Holz der Rumpfplanken hat den Sinn, daß der 2-K-Kleber die Platten besonders gut hält, also nicht nur die Stifte eingegossen werden. Die Rundung der Platten habe ich mit einer Justierzange jeweils einen winzigen Betrag größer gemacht, damit sich die Platte unter Last eines kleinen Gewichts flächig an die Rumpfwölbung anlegt. Die Modellrumpf liegt bei diesen Klebevorgängen auf der Seite.
Auch hier wurden die Spalte zwischen den Platten und dem TESA-Band wieder mit dünnflüssigem Sekundenkleber gefüllt. Dann konnte ich endlich die geprägten Folienstreifen mit 2-K-Lack sowohl auf die Platten als auch auf die Nähte aufkleben (Fotos 19 und 20 ). Beim Ablängen darf man die hauchdünnen Streifen an den Kanten nicht verbiegen, denn der Lack als Kleber hat keine Fähigkeit eine etwas verbogene Kante an der Fläche zu halten. Ich habe hellgrauen Lack verwendet, damit ich genau sehe, wo die Lackspur sitzt. Lack benötigt Wochen, bis er unter den Folie-Streifen vollkommen durchgetrocknet ist. Beim Anbringen von Nieten-Folienstreifen an die Deckshäuser habe ich später die gute Erfahrung gemacht, daß man sie mit (farbloser!) Nitro-Mattine besser ankleben kann, hier. Nitro-Farbe trocknet ja schon nach Minuten. Heute gibt es kaum noch Nitrofarben zu kaufen. Die heutigen Farben sind sowas von "gesund", daß man sie fast trinken kann. Wie wäre es mit Nagel-Lack. Ich vermute, der (war?) ist noch auf Nitro-Basis...?
Jürgen Eichardt
Literatur:
(1) „Fräsen für Modellbauer“ Band 2, Jürgen Eichardt, VTH-Bestellnummer 310 2118, € 19,-
(2) „Modellbautechniken“, Jürgen Eichardt, VTH-Bestellnummer 312 0035, € 19,-