100-mm-DP-Geschütz L/55 Creusot-Loire

100-mm-DP-single-gun L/55 Creusot-Loire

Planausschnitt / plan section

100-mm-DP-Geschütz auf dem Vorschiff der französischen Fregatte DROGOU (D´ESTIENNE d´ORVES-Klasse)

Auf der Webseite: www.dishmodels.ru/wshow.htm?p=2636 finden Sie 71 Fotos von diesem Geschützturm.

Das „DP“ in der Typenbezeichnung für dieses 100-mm-Geschütz ist das Kürzel für double purpose, also „doppelter Zweck“. Das bedeutet, daß mit diesem Geschütz, dem modernen Trend seit Jahrzehnten folgend, See- als auch Luftziele bekämpft werden können. Derartige Waffenstände gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg auf fast allen großen Kampfschiffen. Während reine Seezielgeschütze eine Rohrerhöhung von nur etwa 25° hatten, beträgt die größte Elevation bei fla-fähigen Geschützen bis zu 90°. Sie können also bis zu senkrecht nach oben schießen, um den überfliegenden Flugzeugen möglichst lange folgen zu können. Ein Flugzeug sollte von einer modernen Fla-Waffe möglichst während des gesamten Überflugs verfolgt und bekämpft werden. Beim Anflug wird die Waffe aufgerichtet. Ist die höchste Elevation erreicht, dreht der Waffenstand möglichst schnell um 180° und danach wird das Rohr, dem Ziel folgend, wieder gesenkt. Vor allem für das Drehen bei höchster Rohrerhöhung ist eine sehr hohe Richtgeschwindigkeit, also ein kräftiges Richttriebwerk nötig. Weil das sehr exakte Verfolgen des schnellfliegenden Luftziels direkt über dem Kampfschiff ohnehin kaum möglich ist, wird oftmals nicht die maximale Senkrechtstellung der Waffe benutzt. Viele Fla-Geschütze (AA-guns = anti-aircraft-guns) haben deshalb oft nur eine Elevation von 80° oder 85°.

Das in unserer Zeichnung vorgestellte DP-Geschütz findet man als Standard-Rohrwaffe auf sehr vielen Kampfschiffen, besonders natürlich auf denen der französischen Marine. Die Waffenstände wurden bei Creusot-Loire (ex Fa. Schneider) ab 1953 entwickelt und von etwa Anfang der 60er-Jahre bei Neubauten installiert. Das waren vor allem die damals neuen Flugzeugträger FOCH und CLEMENCEAU, die von 1961 bis 1963 in Dienst gingen und als höchste Dotierung je 8 derartige Einzelrohrwaffen des Modells 53 erhielten. Im gleichen Zeitraum erhielten die neun neuen Fregatten der COMMANDANT RIVIERE-Klasse etatmäßig je zwei Türme Model 53. Der Prototyp des Modells 53 wurde auf der LE CORSE-Fregatte LE BRESTOIS im Jahre 1958 eingebaut. Bis heute wurden die Kanonen ständig weiterentwickelt und mit unterschiedlichen Bezeichnungen eingeführt. Die Form der charakteristisch abgeschrägten Hauben blieb dabei aber unverändert. Erst in jüngster Zeit sieht man bei den modernen Fregatten der LA FAYETTE-Klasse „Stealth-Türme“, bei denen die ursprünglich senkrechten Wände nun auch leicht schräg stehen.

Für den Einbau auf Kampfschiffen der Bundesmarine wurden über 60 Geschütztürme von Frankreich beschafft. Sie fanden Aufstellung auf den Zerstörern der HAMBURG-Klasse (je 4), auf dem Schulschiff DEUTSCHLAND (4), auf den Fregatten der KÖLN-Klasse (je 2), auf den Tendern der RHEIN- und MOSEL-Klasse (je 2) und nach Modernisierungen auch auf den alten, von der britischen Marine übernommenen Fregatten SCHARNHORST (2), GNEISENAU (1).

Die Waffen arbeiten automatisch und werden über Funkmeß-Feuerleit-Anlagen radargesteuert. Bei Ausfall des Leitradars können sie selbstverständlich auch „von Hand“ über optische Zielgeräte und mechanische Antriebe in den Türmen gelenkt und abgefeuert werden. Je nach Ausführung sieht man bei den Türmen an den schrägen Vorderwänden zwei oder auch nur eine Schützenkuppel. In der Hauptzeichnung habe ich einen Waffenstand mit zwei Schützenkuppeln gezeichnet, bei denen die Seitenwände nicht verglast sind. Derartige Kuppeln sah man bei den Schiffen der Bundesmarine. Auf vielen Fotos erkennt man, daß diese Kuppeln bei Nichtbesetzung der Schützensitze mit Blechkappen abgedeckt sind. Bei Kampfschiffen der französischen Marine sieht man meist nur eine Schützenkuppel – an der linken, der „Backbord-Seite“. Die Tritte zum Besteigen der Turmdecken laufen dann an der anderen Seite in einer Reihe durch (vgl. Foto 1)! Bei den neueren Türmen haben die Schützenstände einteilige Plexiglas-Kuppeln mit Glas-Seitenwänden (vgl. III). Besonders bei den neueren französischen Schiffen (CASSARD-, GEORGES LEYGUES-, PRIMAUGUET-Klassen) sieht man wesentlich höhere Decksockel, wie ich rechts/unten einen dargestellt habe. Bei dieser Ausführung gibt es zusätzliche Leitern unterhalb der Turmtüren und Tritte an der Vorderkante, um die Waffe besteigen zu können. Der Sinn dieser erhöhten Sockel ist, daß die nicht weit genug vorn stehenden Waffen auch gut in Längsrichtung über den Bug hinaus schießen können. Die Waffenrohre sind wassergekühlt. Die Zuleitungsschläuche hängen stets im Bogen an der Unterkante der Rohre. Die Plattform an der hinteren Turmwand kann hochgeklappt werden.

Die leer geschossenen Patronenhülsen werden, wie üblich, über eine Auswerferbahn nach vorn auf das Deck geschleudert. (a) ist die entsprechende Auswurföffnung, die eigenartigerweise seitlich versetzt ist. Die Boote der HAMBURG- und KÖLN-Klasse haben ein gewölbtes Umlenkblech (bei II dargestellt), damit die Hülsen nicht zu weit geschleudert werden. Den gleichen Sinn erfüllt eine herunterhängende, dicke „Gummischürze“ (vgl. I), wie man sie hauptsächlich bei den französischen Schiffen sieht. Die Depression der Waffen beträgt – 15°, damit sich das Schiff auch noch bei Schlagseite gegen Seeziele auf kurze Entfernung wehren kann. Die Waffe mit ihren Versteifungen (b) schwenkt in einer üblichen Mulde im Turm. Damit diese Mulde beim Hafenbetrieb mit einer Persenning abgedeckt werden kann, sind am Turmgehäuse zahlreiche Zurr-Ösen (c) angeschweißt. Dagegen sind die vier kräftigeren Ösen (d) Anschlagstellen für das Kran-Hängezeug bei der Turmmontage.

Auch von diesen 100-mm-Geschütztürmen werden in der Literatur zahlreiche technische Daten angegeben. Diese sind, wie immer, mit Vorsicht wahrzunehmen, weil man nie exakt weiß, welcher Modernisierungsvariante sie zuzuschreiben sind. Die Rohre sind 55 Kaliber lang (L/55). Das sind hier (beim 100 mm Kaliber) exakt 5,50 m. Aus einer Ladetrommel unter Deck werden die fünfunddreißig 23,2 kg schweren Granatpatronen über eine mitschwenkende Ladebahn der Waffe zugeführt und die 13,5 kg schweren Projektile mit einer recht hohen Schußfolge von 60 Schuß/min und mit 870 m/sek. Mündungsgeschwindigkeit verschossen. Der an Bord befindliche Kampfsatz pro Rohr ist natürlich - je nach Schiff unterschiedlich - größer als 35 Schuß! Bei 40° Rohrerhöhung wird eine Schußweite von 17 km erreicht. Ein Waffenstand Modell 53 wiegt komplett 22,4 t (23 t, 24,5 t/verschiedene Angaben!). Eine modernere Leichtgewichtsausführung, Typenbezeichnung „Compact“, wiegt dagegen nur 17 t, feuert aber, je nach Anforderung, 10 bis 90 Schuß/min. Die Richtgeschwindigkeiten beim Modell 68 betragen 40°/sek. bei der Seitenrichtung und 25°/sek. bei der Höhenrichtung. Zur Turmbesatzung gehören acht Marinesoldaten: vier im Turm und vier im darunterliegenden Munitionsraum. Letztere vier laden die Patronen aus den Stellagen in den Aufzug zur Ladebahn.

Die Zeichnung auf Blatt 2 zeigt zum besseren Verständnis die Turmgeometrie ohne die abgerundeten Kanten.

Die Creusot-Loire-Türme werden außer auf französischen und den Bundesmarine-Kampfschiffen auch bei der argentinischen (ex französische A69-Fregatten), belgischen (WIELINGEN-Klasse), griechischen (ex deutsche WESER-Klasse) und portugiesischen (BAPTISTA DE ANDRADE-Klasse, ex COMMANDANT RIVIERE- und VASCO DA GAMA-Klasse) Marine gefahren.

zurück/back  |  home