Viermastbark SSS KRUSENSTERN (ex. PADUA)

four-mast bark sail training ship KRUSENSTERN (formerly PADUA)

Die Jahrhunderte alte Entwicklung der Segelschiffe fand Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Bau der großen, mehrmastigen und aus Stahl gebauten, frachttragenden Rahseglern ihren Höhepunkt und ihr Ende. Der Bau von immer seetüchtigeren und personalsparenden Dampfern, die zudem unabhängig von Wind und Wetter die Fracht- und Passagierlinien der Reedereien bedienen konnten, verdrängte die vorhandene Segelschiffstonnage immer mehr. In Deutschland versuchte sich die traditionsreiche, Hamburger Reederei Laeisz mit den bekannten „Flying P-Linern“ (83 Schiffe, fast alle Schiffsnamen begannen mit einem P und die Rümpfe trugen einen schwarzen Anstrich, rotes Unterwasserschiff, weißer Wechselgang) der technischen Entwicklung noch eine Zeitlang entgegenzustemmen. Dazu ließen sie Schiffe bauen, welche stets den höchsten technischen Stand markierten, ihre Kapitäne und Mannschaften zählten zu den besten und durch gute Organisation der Handelsreisen wurden noch hohe Gewinne erzielt.

Die Reederei Laeisz ließ sogar Fünfmast-Rahsegler bauen: erst 1895 die Fünfmastbark POTOSI und 1902 das einzige Fünfmast-Vollschiff PREUSSEN (Vollschiff = alle fünf Masten rahgetakelt). Die zu große PREUSSEN bewährte sich nicht. 8.000 t Fracht für dieses Schiff waren nicht zu organisieren. Man baute wieder kleinere Segler. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die meisten P-Liner von den Siegermächten als Reparationen übernommen. Das Wissen um das Segeln mit Großseglern war in diesen Ländern aber schon weitgehend verlorengegangen. Auch aus diesem Grunde konnte Laeisz seine Segler billig zurückkaufen und sogar Neubauten in Auftrag geben. Der überhaupt letzte Rahsegler für die Frachtschiffahrt war die Viermastbark PADUA , die für F. Laeisz auf der Werft Tecklenborg/Wesermünde noch am 24. Juni 1926 vom Stapel lief und schon im August des gleichen Jahres in Dienst gestellt wurde. PADUA war eine der sog. „acht Schwestern“, die in Bauart und Größe ähnlich waren: PANGANI und PETSCHILI (Baujahr 1903), PAMIR (1905), PEKING und PASSAT   (1911), POLA (1918) und PRIWALL (1920). (Die Viermastbark PASSAT liegt übrigens heute noch in Travemünde als Museumsschiff.)

Die Fahrt von Hamburg um das Kap Hoorn zum chilenischen Talcahuano bewältigte PADUA als Jungfernreise in nur 87 Tagen; später, 1927, aber auch in nur 54 Tagen! Danach wurde das Schiff, wie üblich, für den Transport von Industriegütern nach Südamerika und auf den Rückreisen in der sog. „Salpeterfahrt“ eingesetzt. PADUA machte 15 Reisen als Frachtsegler. Eine Rekordfahrt gab es auch 1933/34 als die PADUA in 67 Tagen von Hamburg nach Port Lincoln (Australien) segelte. Mehrfach diente das Schiff als Kulisse für Spielfilme, u.a. 1944 für den Film „Große Freiheit Nr. 7“ und später für sowjetische Filme. Bei einem extremen „Norder“ vor der Küste Chiles erlitt das Schiff großen Sachschaden und der Verlust von vier Seeleuten (Stürze vom Mast, über Bord gegangen) war zu beklagen, ansonsten war die PADUA ein eher glückliches Schiff. Im Kriegsjahr 1943 bekam PADUA eine Kanone (!) an Bord. Damit war man recht „erfolgreich“, denn man schoß ein eigenes (!) Flugzeug an. Später rammte der Segler sogar ein deutsches Tauchboot…!

Am 12. 1. 1946 wurde sie als Kriegsentschädigung in Swinemünde an die Sowjetunion abgegeben und wird nach zahlreichen Umbauten seitdem als sowjetische, heute russische KRUSENSTERN (benannt nach dem russischen Admiral Adam Johann von Krusenstern) als Segelschulschiff vom Ministerium für Fischwirtschaft genutzt. In dieser Eigenschaft nimmt die KRUSENSTERN regelmäßig an den großen Segler-Wettfahrten und Windjammer-Treffen teil. Das Segelschulschiff gewann mehrere Transatlantik-Rennen und die „Operation Columbus 92“ von Boston nach Liverpool. Bei diesem Rennen zum 500-jährigen Jubiläum der Entdeckung Amerikas wurde die Höchstgeschwindigkeit von 17,4 kn erreicht (ohne Hilfsmotoren?).

Die PADUA hatte namhafte Schiffsführer: zuerst C. Schuhberg, später auch H. Piening, R. Clauss, J. Jürs (er starb am Tage der Übergabe seines Schiffs an die Sowjetunion!), H. R. Wendt, O. Schommartz und B. Petersen, welcher auch schon die PREUSSEN befehligt hatte. Kapitän Jürs rundete Kap Hoorn insgesamt 66 mal: 50 mal als Kapitän, viermal mit der PADUA. Sowjetische/russische Kommandanten waren I. G. Schneider, G. w. Kolomenski; heute Oleg Sedow. Die Heimathäfen von KRUSENSTERN waren zuerst Riga, später Tallinn; heute Kaliningrad (früher Königsberg). Bis 1959 lag das Schiff nur im Hafen. 1959 bis 1961 erfolgten eine Überholung und der Einbau eines ersten Hilfsmotors. Ozeanografische Forschungen in verschiedenen Teilen der Weltmeere waren danach bis 1965 ihre Aufgabe. Dabei war ihr Rumpf noch weiß gestrichen. Heute hat die KRUSENSTERN den charakteristischen schwarz-weißen Rumpfanstrich mit den angedeuteten Stückpforten. Weil es, je nach Transliteration, verschiedene Schreibweisen für den heutigen Namen der KRUSENSTERN gibt, ist es teils recht schwierig, z.B. im Internet Informationen über das Schiff zu erhalten.

Am 24. 6. 1925 war unter der Baunummer S.408 Kiellegung für die PADUA. Aufgeriggt wurde die Takelage übrigens bei Blohm & Voss in Hamburg. PADUA war ursprünglich ein sog., Drei-Insel-Schiff. Drei Deckshäuser (Poop, mittleres Deckhaus und Back) haben die volle Deckbreite. Durch Überbau der hinteren Kuhl in den Jahren 1968 bis 1972 hat das Schiff heute eine sog. lange Poop. Der Rumpf hat eine völlige Form mit fast flachem Rumpfboden und oben leicht eingezogenen Bordwänden. Der Kiel unterragt den Rumpfboden leicht und hat keinen Fall. Die Achse des schmalen Ruders steht vollkommen senkrecht. KRUSENSTERN hatte vor Jahren noch eine Schnitzerei am Bug, jedoch keine Galionsfigur. Heute fehlt auch diese Schnitzerei. Zwei Stockanker dienen als Buganker. Sie hängen in Sliplagern außenbords (in meiner Draufsicht an Backbord ) oder sind in Lagern an Deck gezurrt (Steuerbordseite). Zum Fischen der Anker steht auf der Back ein kleiner Ankerkran. Reserveranker lagern unter den Niedergängen zum Backdeck: Backbord ein Hallanker, Steuerbord ein weiterer Stockanker. PADUA hatte noch keinen Motorantrieb. Heute hat die KRUSENSTERN einen Zwei-Wellen-Antrieb von je 800 PS. In ihrem mittleren Deckhaus (Liverpoolhaus) fanden damals 40 Kadetten Unterkunft. Heute sind 68 Mann Stammbesatzung, 110 Kadetten und bis zu 50 mitreisende Trainees an Bord. Damit man seinerzeit bei PADUA mit möglichst geringer Besatzung auskommen konnte, erhielt das Schiff für die je drei untersten, schwersten Rahen Brassenwinden nach dem Patent von Kapitän Jarvis und für die schweren Ober-Marsrahen Rahfall-Winden. Letztere stehen jeweils etwas seitlich versetzt knapp hinter den Masten, wogegen die Brassenwinden jeweils vor dem nächsten Mast mittschiffs stehen. Insgesamt acht Spillköpfe sind für schwere Arbeiten vorgesehen (sechs auf dem Poopdeck, einer in der Kuhl und ein Spill auf der Back). Alle Rettungsboote sind inzwischen von Bord gegeben, dafür sieht man heute nur noch Rettungsflöße und mittschiffs zwei Speed-Boote. Damit die Brassen für den Kreuzmast ausreichend weit nach außen fahren, gibt es am Heck je zwei Braßbäume. Ein Stück davor - etwa auf Höhe vom Modellspant 2,5 – ragen zwei weitere, kurze Bäume nach außen. Hier vermute ich die Führung für die Schoten des Bagiensegels (unterstes Rahsegel am Kreuzmast). (Die Seilführung ist bei Open-Ship-Veranstaltungen wie der Kieler Woche usw. nicht immer vollständig. Bei diesen „Spazierfahrten“ werden auch nie alle Segel gesetzt!) Die Umlenkblöcke für die Brassen der beiden vorderen Masten sind schwenkbar direkt auf der Reling angebracht.

Die Länge des Schiffes über das Bugspriet beträgt 114,50m; Rumpflänge 95,00 m, die Rumpfbreite 14,05 m, Tiefgang 6,80 m. Als Segelfläche sind 3.400 m² angegeben. Die Länge der Unterrahen beträgt 24,00 m. Damit sind sie etwas länger als die Rahen vergleichbarer Segelschulschiffe. Die drei Rahmasten und die daran angebrachten Takelage-Elemente haben gleiche Dimensionen. Ihre Untermasten reichen in einem Stück bis in Höhe der Bramsalinge. Deren Marsränder haben nach hinten lange sog. Ausrecker. An diesen sind die oberen Teile der längsten Pardunen fest, damit sie nicht zu sehr schwingen können. Mars- und Bramsegel und auch das Besansegel sind geteilt. Die Obermars-, Oberbram- und Royalrahen sind zur Gewichtsreduktion bei aufgegeiten Segeln nach unten wegfierbar. Die Obermarsrahen hängen in der untersten Stellung in je vier Toppnanten. Vier Stück sind bei diesen schweren Rahen nötig, damit die Rah beim möglichen Bruch des Rahfalls sicher aufgefangen wird. Die Unterbramrahen hängen mit ihrem Rack vorn je an einem Gelenk am Eselshaupt fest. Die Rahsegel haben keine Reffs. Die untersten Stage der Rahmasten tragen keine Stagsegel. Das „Vorgeschirr“ besteht normal aus Vorstengestagsegel, Binnenklüver, Klüver und Außenklüver (Jager). Auf Fotos sieht man auf dem äußersten Stag, wie in meiner Zeichnung dargestellt, sehr weit nach oben gezogen, ein weiteres Stagsegel. Zwischen den Rahmasten werden je drei Zwischenstagsegel aufgezogen. Dagegen tragen alle drei Stage zum Besanmast diese Dreieck-Segel.

Ich habe in meinen Zeichnungen das Schiff so darzustellen, wie ich es zur „Kieler Woche 2008“ in über 300 Fotos fotografiert habe. Die Zeichnungen (und alle Fotos) können in der gezeichneten Originalgröße im Maßstab 1:100 bestellt werden: juergen-eichardt@web.de oder Tel.: 0721-47040072. Bei Herrn Volker Gries, Webmaster von www.tallship-fan.de , möchte ich mich für die beiden Fotos bedanken.

Jürgen Eichardt

Bildtexte:

01: KRUSENSTERN mit reduzierter Segelfläche, die Segel der Unterrahen, die Besansegel und die meisten Stagsegel sind geborgen.

 

02: Diese achterliche Aufnahme verdeutlicht die massive Form dieses Frachtsegler-Rumpfes. In den Fuß-Perden der hintersten Royal-Rah stehen an Backbord zwei Matrosen! Die Masttoppen der Untermasten sind weiß gestrichen. Das Besansegel ist geteilt, man erkennt die segellosen Gaffeln. Die Toppnanten der untersten Rahen haben Tausendfüßler!

03: Hinter dem Souvenir-Verkaufsstand erkennt man die motorisch betriebene Ankerwinde. An der Backbordseite vom Backfrontschott ist ein Reserve-Hall-Anker gelascht. Links darüber erkennt man das Laternenhäuschen (Backbord-Seitenlaterne) mit dem Kupferdach.

04: An dieser Stelle stand früher eine Boots-Aussetzvorrichtung mit einem Rettungsboot. Jetzt sieht man hier drei Abrollgestelle für insgesamt 9 Rettungsflöße. Rechts daneben liegt eine Lotsenleiter. In der Bildmitte ein geöffnetes Oberlicht.

05: Einer der beiden Steuerstände mittschiffs, davor ein abgedeckter Steuerkompaß und neben diesem eine der Rahfallwinden.

06: Blick vom Poopdeck (Vorderkante) hinunter in die vordere Kuhl . Unter den Zugstangen für die Spannschrauben der Zwischenstage steht im "Mastgarten" eine kleine Werkbank; in der Bildmitte die Rahfallwinde für die schwere Vor-Obermarsrah. An Steuerbord liegt der Rest einer schweren Festmacherleine an Deck.

07: Mastfuß vom Kreuzmast . Davor eine Brassenwinde mit ihren Stahlseil-Läufern. Ihre Handkurbeln sind nach innen aufgesteckt. Nach rechts-oben fahren die Spannschrauben vom doppelten Besanstag. Links-hinten sieht man die schweren Umlenkblöcke für die Brassen auf der Reling. Die Betinge sind immer noch kunstvoll gedrechselte Stützen, die Enden der Nagelbänke haben polierte Messing-Kappen, überall an Bord heute synthetisches, eingefärbtes Tauwerk.

08: Deckhaus am Heck . Darüber liegt der Baum vom Unter-Besan. Die hier lose unten anhängende Talje wird wahrscheinlich beim Segeln als zusätzliche Besanschot gesetzt.

09: Von links nach rechts : Mit einem Doppelblock angeschäkelte Besanschot vor der russischen Flagge, Abdeckung für die Rudermaschine mit dem Schiffsnamen in kyrillischen Buchstaben, achterer Steuerstand, (Magnet-)Kompaß mit den beiden (rot und grün) Weicheisenkugeln für die sog. D-Korrektur der Mißweisung. Das dünne Stahlseil, welches durch die senkrecht stehende Rolle im Besan-Baum fährt, ist der Ausholer für das Unter-Besan-Segel.

10: Blick in den Besan-Mast mit den beiden Gaffeln. Die „Webleinen“ der Unterwanten sind eigentlich aufgebundene Holzleisten. Unter der Saling und vorn am Stengefuß hängen die schweren Brassen-Umlenkblöcke. Die Masttoppen sind bei KRUSENSTERN weiß gestrichen. Die hintersten Pardunen haben zahlreiche Tausendfüßler, damit die Besansegel nicht schamfielen können. Die beiden Besansegel sind aufgegeit.

11: Kreuz-Marssaling . Die Unterrah wird von einer stabilen Hangerstange getragen. Die Schoten vom Kreuz-Untermarssegel werden unterhalb vom Brillenblock mit kleinen Wegweiserblöcken ein Stück an den Mast herangeführt. Die Geitaue für das Bagiensegel fehlen. Der Grad des Anbrassens der Rah wird von einer kleinen Skala angezeigt. Man erkennt die drei Püttingsstangen für die Topprahen an Steuerbod.

12: Eine Bramsaling (Kreuzmast) mit ihren Ausreckern von unten . Durch das Scheibgatt unterhalb der Saling fährt das Stahlseil vom Fall des Kreuz-Obermarssegels. Die Rahsegel sind nicht besonders gut angeschlagen. An den Ausreckern erkennt man je drei Haken, durch welche die langen Pardunen fahren.

13: Die Saling vom Besanmast hat zum Durchsteigen große Öffnungen. Hinten quer zwischen den Unterwanten sind Schwichtinge eingewebt, damit man die Besansegel zum Losmachen erreichen kann.

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