Zerstörer SCHLESWIG HOLSTEIN
destroyer SCHLESWIG HOLSTEIN
Werftpläne sind für den Bau eines Schiffsmodells in aller Regel die denkbar ungünstigsten Bauunterlagen. Sie sind nicht für Schiffsmodellbauer gezeichnet. Sie zeigen das Schiff (oder die Schiffsklasse) oft in einem solchen Bauzustand, wie das Schiff einmal gebaut – werden sollte. Teils umfangreiche Änderungen während des Baus oder auch später nach der Indienststellung werden meist nicht in den Plänen vorgenommen. Außerdem enthalten Werftpläne (Linien-)Informationen, die der Modellbauer gar nicht benötigt und andererseits sind sie oft sehr liederlich gezeichnet, viele Details nur andeutungsweise dargestellt…
Seit meiner
Veröffentlichung über die Fregatte
AUGSBURG (KÖLN-Klasse) und nach dem großen Interesse für den
1:100-Plansatz von dem Schiff,
gehe ich mit dem Wunsch schwanger, von einer weiteren wichtigen Schiffsklasse
der Bundesmarine, den vier Zerstörern der HAMBURG-Klasse, ebenfalls einen
1:100-Plan zu zeichnen. Es fehlte nur an geeigneten Plänen, Fotos waren
reichlich vorhanden. Von einem hier nicht genannten Hobbyfreund, bei dem ich
mich natürlich herzlich bedanke, habe ich unlängst den sog.
„Einrichtungsplan“ der SCHLESWIG HOLSTEIN erhalten. Dieser Generalplan, der das
Kampfschiff nach seiner Umarmierung auf vier EXOCET-Starter an Stelle vom
dritten 100-mm-Turm zeigt, war, im Gegensatz zum oben Gesagten,
überdurchschnittlich detailliert und sauber im M 1:50 (!) gezeichnet. Für mich
bestand in dem Fall nur die Aufgabe, diesen Plan für die Bedürfnisse der
Schiffsmodellbauer sauber abzuzeichnen. Das Ergebnis kann ich hier, verkleinert
präsentieren
(kleine Bilder anklicken). Aus gutem Grund zeige ich hier
nur die Steuerbord-Ansicht.
Als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges fand in Europa die Bildung von zwei gegensätzlichen politischen, Wirtschafts- und letztendlich auch Militärblöcken statt. Auf der westlichen Seite wurde schon 1948 aus Großbritannien, Frankreich und den Benelux-Ländern die Westeuropäische Union gegründet. Dem stand der sog. Ostblock, dominiert von der Sowjetunion, gegenüber. Im Jahre 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland und die NATO gegründet, zu deren Mitgliedern auch die führende westliche Macht, die USA, gehörte. Nur unter der Maßgabe, daß Deutschland zukünftig eine demokratische Entwicklung nimmt, wurde die Bundesrepublik am 9. Mai 1955 Vollmitglied in der NATO und eine Wiederbewaffnung befürwortet.
Die übrigen
NATO-Mitglieder waren selbstverständlich anfangs mißtrauisch und es wurden z.B.
Grenzen für die Tonnage bei den Schiffen der neuen deutschen Marine festgelegt.
Überwasser-Kampfschiffe durften danach nur maximal 3.000 t verdrängen. Ausnahmen
davon waren möglich, mußten aber genehmigt werden. Das Neubauprogramm für die
neue Bundesmarine sah ursprünglich u.a. zwölf Zerstörer und sechs Fregatten als
die größten Einheiten vor. Während der Fregattenbau mit den sechs Fregatten
„Geleitboot 55“, später als KÖLN-Klasse oder Klasse 120 bekanntgeworden, relativ
problemlos und zügig vonstatten ging, gab es bei den Zerstörern erhebliche
Anlaufschwierigkeiten. Schließlich wurden nicht zwölf, sondern nur vier
„Zerstörer 55“, später als Klasse 101 benannt, gebaut. Schließlich kamen ja auch
die sechs Leihzerstörer der US-amerikanischen
FLETCHER-Klasse (Z1 bis Z6 / D170,
D171, D172, D178, D179 und D180) zwischen 1958 und 1960 bei der Bundesmarine in
Dienst. Man hätte bei den Neubauten gern an die im Kriege entwickelten
Diesel-Zerstörer
angeknüpft, aber Großdiesel standen zu der Zeit noch nicht zur
Verfügung. Gleiches traf für Gasturbinen zu. Ebenso mußte aus politischen
Gründen eine moderne Flugkörper-Bewaffnung der neuen Fahrzeuge entfallen. Es
wurden schließlich Fahrzeuge mit Glattdeckrümpfen, mit Dampfturbinen bestückt
und mit konventioneller Bewaffnung ausgerüstet, projektiert. Der neue ABC-Schutz
ergab recht hohe Aufbauten, weshalb die bisher übliche Aufstellung eines
Rohrsatzes für Seeziel-Torpedos zwischen den Schornsteinen nicht möglich war.
Als Neuheit erhielt die HAMBURG-Klasse, wie sie nach dem ersten in Dienst
gegangenen Boot genannt wurde, deshalb fünf fest in den Rumpf eingebaute
Torpedorohre: drei im Bug mit Schußrichtung nach vorn
und zwei dicht beieinander
im Heckspiegel mit Schußrichtung nach hinten.
Das
Grunddesign ähnelte in zahlreichen Details den Bauten, die zu etwa gleicher Zeit
entwickelt wurden: den Fregatten der genannten KÖLN-Klasse
, den U-Jägern der
THETIS-Klasse
, dem Schulschiff DEUTSCHLAND
und den Versorgern der
RHEIN- und MOSEL-Klassen
. Dreizehn Querschotte unterteilen die HAMBURG-Rümpfe in vierzehn
wasserdichte Abteilungen. Im Vorschiff gibt es einen Außenhautknick
. Der leicht
gewölbte Spiegel steht etwas schräg. Die Kante Seite-Deck ist aus
Stabilitätsgründen gerundet. Beim Spantenriß habe ich diese Rundung nur beim
Spiegel angedeutet. Zum Bug hin verliert sich diese Kantenrundung. Die beiden
Buganker werden auf Schweinsrücken gefahren. Der ursprüngliche Heckanker in
einer (Stb-)Klüse
im Spiegel wurde später entfernt. Die Bordwände stehen
senkrecht; am Heck sind sie leicht eingezogen. Unterhalb der Brücke unterragt
ein Sonardom die Kiellinie. Die dreiflunkigen Propeller
von SCHLESWIG HOLSTEIN
(D182) hatten einen Durchmesser von 3,40 m; bei den drei anderen Booten (HAMBURG
D181, BAYERN D183 und HESSEN D184) waren das noch 3,50 m. Sie wurden später wegen
Schwingungen gegen fünfflunkige Propeller
getauscht. Im zweiten Viertel der
Rumpflänge reichen die Decksaufbauten über zwei Decks von Bordseite zu
Bordseite. Beide Enden der Decksaufbauten waren ursprünglich in der Draufsicht
oval gerundet. Die fünf Decks hohen Aufbauten sind aus Leichtmetall gebaut.
Dennoch waren die Schiffe recht topplastig. Im Marinejargon wurden sie
„Hochhäuser“ genannt. Es gab immer wieder Probleme mit Rissen in den Aufbauten.
Am Anfang gab es bei den Deckshäusern des dritten Aufbaudecks eine Lücke
zwischen den Schornsteinen. Diese wurde später geschlossen. Der Dreibeinmast
hinter dem achteren Schornstein wurde später entfernt. Auch an den
Schornsteinkappen gab es Veränderungen. Die Motorpinasse an Backbord wurde
entfernt; es verblieb nur das 9-m-Motorbeiboot
an Steuerbord.
Die
Bewaffnung sah anfangs so aus: Vier 100-mm-Einzeltürme
in überhöhter
Aufstellung, vier 40-mm-BOFORS-Zwillinge Typ 106
(Marinemuseum Wilhelmshaven), die genannten fünf
533-mm-Torpedorohre für Überwasser-Ziele, zwei
375-mm-Vierfach-WABO-Werfer
BOFORS
für reaktive Wasserbomben, zwei 533-mm-Einzel-Torpedorohre
Typ "Toro UJ2"
für
U-Jagd-Torpedos auf den Seitengängen, zwei nachrüstbare WABO-Ablaufbahnen
auf
den Minengleisen am Heck und insgesamt 143 m Minengeleise für bis zu 90 Minen.
Weil das erste Aufbaudeck bis zum hinteren Schornstein die volle Rumpfbreite
hat, ist anzunehmen, daß hier ursprünglich vier leichte Flak-Zwillinge
aufgestellt werden sollten.
Den
gestiegenen militärischen Anforderungen genügte diese Bewaffnung und die
zugehörige Elektronik und Feuerleittechnik bald nicht mehr. Die Zerstörer wurden
beginnend ab 1973 zu Flugkörperzerstörern (DG) Klasse 101A um- und nachgerüstet.
Zuerst wurden die Rumpf-Torpedorohre ausgebaut; ihre Öffnungen verschlossen.
Dafür kamen zwei weitere U-Jagd-Torpedorohre an Bord. Der Turm C in der
X-Position wurde entfernt, das Deck an der Stelle verbreitert und vier Starter
für MM38 EXOCET-Seeziel-Raketen
im Winkel von 45° mit Schußrichtung nach vorn
installiert. Damit der Turm D vor den heißen Gasstrahlen beim Start der Raketen
geschützt ist, wurde das Deck hinter den Startern nach oben gewölbt. Ein Deck
höher kamen an die Stelle des fast nutzlosen 4-m-E-Meßgerätes zwei 20-rohrige
Düppelwerfer vom italienischen Typ „Breda“
zum Erzeugen von Scheinzielen. Diese
verschießen kleine Raketen mit einem Kaliber von 105 mm. Die vier
40-mm-Waffenstände Typ 106 wurden gegen gleichkalibrige, modernere vom Typ 64
mit den charakteristischen Schützenkabinen gewechselt. Am Heck wurde an
Backbord-Seite eine Winde für geschleppte Geräuschbojen T-Mk 6 „Fanfare“
aufgestellt. Diese Bojen sollten im Einsatz gegnerische Torpedos ablenken. Auch
die Radar-, Sonar- und Feuerleitanlagen wurden stark verändert. Ab April 1978
wurde bei allen vier Booten eine größere, geschlossene „Fregattenbrücke“
eingebaut. Auch bei den Beibooten und Rettungsmitteln gab es über die Jahre bei
den vier Booten erhebliche Veränderungen. Weil die Erhaltungskosten für die
Zerstörer immer weiter anstiegen, wurde auf eine weitere Modernisierung (sie
sollte die Klassenbezeichnung 101B bekommen) verzichtet und die Boote durch die
Fregatten der BRANDENBURG-Klasse
(Farbgrafik vom Marinemaler Olaf Rahardt) zu ersetzt.
Die HAMBURG-Klasse:
Name / Kenn-Nr. |
Kiellegung |
Stapellauf |
Indienststellung |
HAMBURG / D181 |
29.1.1959 |
26.31960 |
23.3.1964 |
SCHLESWIG HOLSTEIN / D182 |
20.8.1959 |
20.8.1960 |
12.10.1964 |
BAYERN / D183 |
15.2.1961 |
14.8.1962 |
6.7.1965 |
HESSEN / D184 |
15.2.1961 |
4.5.1963 |
8.10.1968 (!) |
Die Zerstörer der HAMBURG-Klasse, so auch SCHLESWIG HOLSTEIN, sind über alles 133,70 m lang; in der KWL nur 128,00 m. Die Breite ist mit 13,42 m und der Konstruktionstiefgang mit 4,00 m (Kiel ohne Sonardom) angegeben. Nach den Modernisierungen stieg die Einsatzverdrängung auf 4.692 t. Die Zerstörer hatten zwei Sätze WAHODAG-Getriebe-Dampfturbinen mit zusammen 68.000 PS. Kurzzeitig konnten sogar 72.069 PS erreicht werden. Den Dampf lieferten vier WAHODAG-Wasserrohrkessel von 59 atü Druck bei einer Dampftemperatur von 456° C. 70 t Dampf konnten damit pro Stunde erzeugt werden. Kessel und Turbinen standen natürlich in getrennten Abteilungen. Die Kessel wurden anfangs mit schwerem, später mit leichtem Heizöl befeuert (809 m³ Bunkerkapazität). Die Maschinenanlage ermöglichte eine Höchstfahrt von 36,8 kn. Die Fahrstrecken: nur 700 sm bei 36 kn, 1.250 sm bei 25 kn aber 6.000 sm bei 13 kn Fahrt. Für die Bordstromversorgung waren insgesamt acht Dieselgeneratoren von unterschiedlicher Leistung installiert. Die HAMBURG-Zerstörer hatten noch 284 Mann Besatzung.
Interessierte Modellbauer können die hier verkleinerte Zeichnung der SCHLESWIG HOLSTEIN in der gezeichneten Größe M 1:100 mit drei zusätzlichen Spantenrissen (1:50, 1:60 und 1:75) bei mir erwerben. Außerdem habe ich einen sogenannten Mini-Modellplan im M 1:250 von der HESSEN in der ersten Bewaffnungsvariante im Angebot. Dieser Mini-Plan zeigt z.B. alle Deckspläne. Für die großartigen Fotos möchte ich mich herzlich bei den Herren R. Berghorn, Ch. Börner, W. Harnack, U. Lux, B. Winkler, D. Kleber und K. Widera bedanken. Inzwischen habe ich von der HAMBURG-Klasse fast 700 Fotos (teils auch Zchngn.) in meinem Archiv.
Jürgen Eichardt
Literaturhinweise:
- „Die Zerstörer der HAMBURG-Klasse – Die letzten ihrer Gattung“, Dr. Zvonimir Freivogel, Marine-Arsenal Sonderheft 21, 2000, ISBN 3-7909-0713-8
- „Die Zerstörerflottille der Deutschen Marine von 1958 bis heute“, Wolfgang Harnack, 2001, ISBN 3-7822-0816-1
- „Die Schiffe, Fahrzeuge und Flugzeuge der deutschen Marine von 1956 bis heute“, G. Koop/S. Breyer, 1996, ISBN 3-7637-5950-6
Bildtexte:
Foto 1:
HESSEN mit der alten, schmalen Brücke in einer schönen Luftaufnahme bei einer
Hart-Steuerbord-Wendung. Rumpf und Aufbauten haben ein einheitliches lichtgrau.
Foto 2:
Hier
wird das Aussehen der breiten Brückenfront der neuen Brücke erkenntlich.
Foto 3:
Schöne Ansicht der Aufbauten von hinten fotografiert. Rechts sieht man den außer
Mitte stehenden (Verhol-)Spillkopf des Achterdecks, links-unten im Bild erkennt
man das Schutzblech für die kleine Winde der Torpedoablenkanlage T-Mk6
„Fanfare“.
Foto 4:
SCHLESWIG HOLSTEIN zeigt hier seine Sonnenseite beim Einlaufen in einen
Stützpunkt.
Foto 5:
SCHLESWIG HOLSTEIN in einer sehr frühen Aufnahme: die taktischen Zeichen noch
dunkelgrau, drei Torpedoöffnungen im Vorsteven-Bereich, Motorbarkasse an
Backbord, unter Persenningen die ursprünglichen 40-mm-BOFORS-Zwillinge Typ 106
(meine Bestellnummer sd123), drei Gittermasten, an jeder Bordseite nur ein
Torpedorohr UJ2, schmale Brücke.
Foto 6:
Gleiche Ausführung wie unter Foto 5 von Steuerbord.
Foto 7:
D182
in letzter Bauausführung bei einem Querab-Manöver.
Foto 8:
Blick über die Backbord-Seitengänge nach achtern. Der Seitengang ist im Bereich
des 40-mm-Zwillings wegen der Höhe dieses Waffenstands um drei Stufen nach oben geführt.
Foto 9:
Blick in die Backbord-Brückennock. Hier hat die aufgemalte Kennung auf dem Dach
der Brücke einen schwarzen Schatten. In der Brückennock steht eine Zielsäule zur
(Hand-)Lenkung für die 40-mm-Rohrwaffen.
Foto 10:
Das Klassenschiff HAMBURG kurz nach dem Stapellauf.
Foto 12:
Torpedoübernahme auf BAYERN für die Rohre im Bug. Oben-rechts steht bereits die
schrägstehende Auflagebank. Auf diese wird der Torpedo gelegt und dann in den
Torpedoraum abgeseilt.
Foto 13:
Nur an Backbord: Das Einfahr-Rohr für die Bugtorpedos.
Foto 14:
(Foto: Modellbau Heute) Das großartige 1:50-Modell von
HAMBURG in der ersten Konfiguration vom Modellbauer Jürgen Wolf.
Foto 15:
Das Achterschiff des Modells.