Torpedo-Zielsäule (deutsche TS-Boote ab S 26)

torpedo director (german power torpedo boats after S 26)

Planausschnitt / plan section

Die Torpedo-Zielsäule auf einem TS-Boot der Kriegsmarine vom Typ S 38, S 38b oder S100

Torpedozielsäule für deutsche TS-Boote ab S 26

Die ersten Torpedorohre – anfangs nannte man sie Lancier-Rohre – wurden ab etwa 1860 an Bord der neuartigen Torpedoboote für den Ausstoß (das Lancieren) der Unterwassergeschosse aufgestellt. Später kamen die schnelleren und vielfach kleineren Torpedo-Schnellboote als Torpedoträger hinzu. Daneben wurden Torpedorohre auch frühzeitig an Bord von Tauchbooten (U-Boote und U-Schiffe gibt es heute, damals waren es Überwasserkampfschiffe, die auch tauchen konnten) und bei Panzer- und Linienschiffen als Gelegenheitswaffen für den Nahkampf (die ersten Torpedos hatten nur eine sehr kurze Laufstrecke) in Unterwasser- oder Überwasser-Lancier-Rohren entweder fest oder auch in schwenkbaren Rohren eingebaut. Bei den fest eingebauten Torpedorohren (Bug-, Heckrohre) mußte durch Kursänderung des gesamten Schiffes gezielt werden. Nur die "Breitseitrohre" hatten in der Regel einen geringen Richtbereich. Tauchboote hatten nur im Bug oder Heck fest eingebaute Torpedorohre (TR).

Auf Torpedobooten, Kreuzern, Torpedokreuzern usw. sah man später auch Rohrsätze, bei welchen zwei oder mehr Torpedorohre zu einem Satz anfangs unter geringem V-Winkel, später nur noch parallel zusammengefügt waren. Diese Rohrsätze konnten meist in einem relativ großen Schwenkbereich auf den Gegner gerichtet werden. Da beide (der Torpedoschießende und der Gegner) im Gefecht nie stillstanden, mußten klug ausgedachte Zieleinrichtungen vorhanden sein. Anfangs waren das Visiereinrichtungen mit entsprechenden Gestängen und Scheiben – eine Art von "Rechengeräten" –, in denen der Gegner-Kurs und die Gegner-Geschwindigkeit eingestellt wurden. Dadurch verstellte sich die Visierlinie um den nötigen Vorhaltewinkel. Der Torpedoschütze mußte nur, durch das Zielgerät blickend, den Rohrsatz mit einer Kurbel auf den Gegner zudrehen, ihn quasi „im Auge behalten“. Im rechten Moment feuerte er dann den oder die Torpedos ab.

Ein einzelner Torpedo lief nach dem Abschuß geradlinig (Geradlaufapparat) auf den Gegner zu. Waren die Gegner-Werte auf den Punkt genau richtig eingeschätzt worden und stimmte auch die Laufgeschwindigkeit des Torpedos, so traf der Torpedo, andernfalls schoß er am Ziel vorbei. Er lief dann noch eine Strecke, bis der Luftvorrat des Preßluftantriebs aufgebraucht war. Da der Gegner die Blasenspur der verbrauchten Preßluft an der Wasseroberfläche bei guter Sicht deutlich sah, konnte er rasch Ausweichkurse fahren. Es war also nie einfach, die Torpedowaffe erfolgreich einzusetzen. Rohrsätze konnten bis zu fünf Torpedos gleichzeitig abfeuern („losmachen“). Hierbei wurden dann die Torpedos in der Regel so eingestellt, daß jeder einen geringfügig nach außen „gespreizten“ Kurs lief; es wurde ein sog. „Fächer“ geschossen. Die Ausweichbewegungen des Gegners wurden damit stark eingeschränkt. Wich er einem Torpedo aus, so fuhr er gerade in den nächsten hinein.

Auch Rohrsätze hatten ähnliche Rechenscheiben, wie in Abb. 1 gezeigt. Ich kann mich entsinnen, daß der Kommandant unseres TS-Boots (sowjetisches Projekt 183, NATO-Code: P6-Klasse, mein 1:25-Modellplan HANS COPPI), auf dem ich von 1965 bis 1968 gedient habe, auch noch ein derartiges Zielgerät für den Torpedoangriff verwendete.

Torpedoschnellboote (TS-Boote) hatten ein bis vier Torpedorohre an Bord. Wurden zwei, drei oder alle vier Torpedos abgefeuert, so liefen auch diese als Fächer auf den Gegner zu. Griffen mehrere TS-Boote an, so waren ihre Angriffskurse ebenfalls gefächert. Fünf zweirohrige TS-Boote konnten demnach einen 10er-Fächer verschießen, wobei die Torpedos wie die Finger zweier gespreizter Hände auf den Gegner zuliefen. Hier gab es kaum noch ein Ausweichen.

Selbstverständlich benötigte auch ein TS-Boot ein Zielgerät, in das die Gegner-Werte eingegeben werden konnten. In meiner Zeichnung habe ich eine Torpedozielsäule dargestellt, wie sie auf den TS-Booten der Kriegsmarine ab S 26 gefahren wurde. Möglich wurde mir die Zeichnung durch den zufälligen „Fund“ mehrerer sehr guter Abbildungen von einem 3-D-Modell im Internet. Der unbekannte 3-D-Modellbauer, den ich für seine Arbeit sehr loben möchte, hat hier Großartiges geleistet.

(Bilder anklicken)

Seine Darstellungen zusammen mit Ausschnitten aus den Generalplänen der entsprechenden TS-Boote waren die Arbeitsgrundlage für meine 1:12,5-Zeichnungen (Originalgröße). Ich selbst hatte in meinem Archiv nur ein einziges, recht schlechtes Foto der Zielsäule (siehe oben). Nach diesem wäre es mir nicht möglich gewesen, das Gerät halbwegs gut zu zeichnen.

Die Zielsäule besteht aus drei Hauptteilen. Auf dem Fahrstanddeck steht ein kastenförmiges Unterteil (a), etwa 80 cm hoch. Die Höhe muß so bemessen sein, daß die Zieloptik die Windleitbleche des Fahrstands sicher überragt, damit der Horizont überblickt werden kann. Auf dem Unterteil sitzt ein Steuerteil, an dem nach hinten ein großes Handrad (b) angebaut ist. Ich vermute, daß der Kommandant mit diesem Handrad das Boot gesteuert hat. Dabei blickt er durch die Zieloptik (c) auf den Gegner. Diese Zieloptik ähnelt einem Feldstecher. Mit Stellelementen unterhalb der Zieloptik werden Gegner-Kurs und -Fahrt eingestellt. Das empfindliche Zielfernglas kann man abbauen. Will man z. B. ein Modell im „Hafenklarzustand“ bauen, so ist es kein Fehler, die Zieloptik wegzulassen. Interessant ist, daß die Zielsäulen, die auf den TS-Boots-Neubauten der Bundesmarine (JAGUAR-Klasse usw.) zum Einbau kamen, der hier gezeigten sehr ähnlich waren. Es handelte sich um Weiterentwicklungen, die von der Firma Hagenuck als Mk8 bezeichnet wurden; sie wiesen den Torpedo-Zielapparat RZA 5b der Firma Neufeldt &. Kuhnke auf.

Jürgen Eichardt

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